Türkeiwahl in Berlin: Wolfsgruß für Erdoğan

An­hän­ge­r:in­nen feiern den Wahlsieg des türkischen Präsidenten. Oppo­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r:in­nen sprechen von einer unfairen Wahl.

Aus einem Fenster eines Hauses in der Nähe vom Kottbusser Tor hängt eine türkischen Flagge.

Flagge zeigen für Erdogan. Auch in Berlin stimmte eine Mehrheit für die Wiederwahl Foto: Annette Riedl

„Rund um Zoo, Tauentzien und Ku’damm feiern sie #Erdogan. Aus den Autos und zwischen den Wagenkolonnen auf den Straßen überall der Wolfsgruß und die vier Finger der Muslimbrüder. Alle recken sie ihre Hände in die Luft, Erwachsene, Teenies und Kleinkinder“, schreibt der Berliner Journalist Bobby Rafiq am Sonntag gegen 20 Uhr auf Facebook. Zufällig war er auf dem Weg nach Kreuzberg mitten in die Feierlichkeiten der AKP-Anhänger*innen und türkischen Fa­schis­t*in­nen geraten.

Langzeit Autokrat Recep Tayyip Erdoğan hatte seinen Wahlsieg gerade öffentlich verkündet. Die oberste Wahlbehörde der Türkei bestätigte das Ergebnis erst Stunden später offiziell. Erdoğan gewann die Stichwahl um die türkische Präsidentschaft schlussendlich mit 52,1 Prozentpunkten. Sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu konnte 47,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.

Einen großen Anteil am Wahlergebnis hatten auch die Stimmen der etwa 1,5 Millionen in der Türkei Wahlberechtigten, die in Deutschland leben. Rund 67 Prozent der abgegeben Stimmen votierten für Erdoğan, etwa 245.000 mehr als für seinen Kontrahenten.

Ein Ergebnis, das in nahezu allen türkischen Generalkonsulaten der Bundesrepublik ähnlich klar oder sogar noch eindeutiger ausfiel. Einzig Berlin stach mit einem sehr engen Resultat heraus. Der Abstand zwischen den beiden Kandidaten betrug hier nur 1,5 Prozentpunkte. Jedoch blieb Kılıçdaroğlu auch hier mit 49,25 Stimmanteilen hinter Erdoğan zurück.

Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen enttäuscht

Knapp verloren ist dennoch verloren. So hatten am Ende Erdoğan-Anhänger Grund zum Feiern. Neben den Autokorsos in der City West mit Hunderten Anwesenden blieb es in der Stadt dennoch verhältnismäßig ruhig. Eine kleinere Ansammlung türkischer Na­tio­na­lit­s­t*in­nen hisste am Mariannenplatz türkische Flaggen und ein Bild Erdoğans. Hier und da sah mensch hupende Autos, aus denen türkische Flaggen wehten.

Für die Berliner Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen war der Wahlabend ernüchternd. „Wir sind wie alle sehr bedrückt“, sagte Kenan Kolat, Berlin-Vorsitzender von Kılıçdaroğlu’s CHP, im Telefonat der taz. Er war für die Verkündung der Wahlergebnisse extra zu seinen Par­tei­ge­nos­s*in­nen nach Antalya gereist. Um 19.20 Uhr befand er sich jedoch schon auf dem Weg zurück ins Hotel. Da war für ihn bereits klar: „Die Wahl ist gelaufen.“

Mehtap Erol von der Berliner Yeşil Sol Parti (Grüne Linkspartei) beklagte zunächst mangelnde Fairness: „Wir hatten die Hoffnung, Erdoğan auf demokratischem Weg loszuwerden. Aber das war keine faire, demokratische Wahl.“

Besonders problematisch seien die Repressionen im Vorfeld der Wahlen gewesen sowie die ungleichen Mittel, über die die Kandidaten im Wahlkampf verfügten. „Erdoğan hat den Staat, die Polizei, einen Großteil der Medien. Wir und auch die CHP haben fast alles ehrenamtlich und spendenfinanziert auf die Beine gestellt“, erklärt sie.

Veranstaltung am Dienstag

Erste Konsequenzen der Wahl könnten sich laut Erol schon in den nächsten Wochen zeigen: „Die Regierung wird jetzt versuchen herauszufinden, wer gegen sie gearbeitet hat. Viele Oppositionelle gehen von neuen Repressionen aus und planen, die Türkei zu verlassen.“ Für sie wie für die vielen Kur­d*in­nen in der Türkei sei jedoch klar: „Der Kampf geht weiter.“

Wie genau, wird in Berlin am Dienstag, 30. Mai, um 20 Uhr im Aquarium am Kottbusser Tor diskutiert. Die Interventionistische Linke Berlin lädt zum Podiumsgespräch. Mit dabei sind HDP-DE Vorsitzende Leyla Îmret und die Soziologin Ülker Sözen. Für spontan Interessierte: Die Veranstaltung ist kostenfrei, öffentlich und es gibt deutsch-türkische Simultanübersetzung.

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