Deutsche Bahn provoziert neue Streiks: Riskantes Spielchen

Dass der Bahnvorstand vorerst weitere Verhandlungen mit der Eisenbahngewerkschaft EVG ablehnt, ist inakzeptabel und verantwortungslos.

Taube und Beine eines Reisenden auf einem leeren bahnsteig

Der Hauptbahnhof in München während des Streiks am 21. April Foto: Frank Hoermann/imago

Es ist ein riskantes Spiel, das der Vorstand der Deutschen Bahn spielt – auf Kosten von Millionen von Fahrgästen, die jetzt damit rechnen müssen, dass in naher Zeit wieder der Zugverkehr in Deutschland streikbedingt stillstehen wird. Weitere Verhandlungen mit der Eisenbahngewerkschaft EVG davon abhängig zu machen, dass diese vorab von ihren Forderungen ablässt, ist nicht nur ein völlig ungewöhnliches Vorgehen bei Tarifverhandlungen, sondern zwingt die Gewerkschaft geradezu in den nächsten Ausstand.

Für einen Konzern in Staatsbesitz, dessen Image aufgrund seiner chronischen Unzuverlässigkeit ohnehin schon arg angeschlagen ist, ist ein solches Agieren inakzeptabel und verantwortungslos.

Dabei ist auch der EVG bewusst, dass ihre Kernforderung nach mindestens monatlich 650 Euro in diesem Jahr nicht dem entspricht, was letztlich machbar für sie sein wird. Wie groß in der Regel der Widerspruch zwischen gewerkschaftlichem Anspruch und sozialpartnerschaftlicher Wirklichkeit ist, haben in diesem Jahr bereits anschaulich die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst oder bei der Deutschen Post gezeigt.

Gleichwohl ist es verständlich, dass die EVG auch das jüngste Angebot der Bahn zurückgewiesen hat. Denn es bleibt ausgerechnet für die Beschäftigten in den unteren Lohngruppen, die am stärksten von den heftig gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen sind, deutlich dahinter zurück.

Wenn sich der Bahnvorstand einerseits üppige Boni gönnen will – was der Aufsichtsrat vorläufig ausgesetzt hat – und zudem noch Prämien in dreistelliger Millionenhöhe an weitere Führungskräfte auszahlt, aber andererseits einen Reallohnverlust denen zumuten will, die ihn am schlechtesten verkraften können, dann kommt er seiner sozialen Verantwortung nicht nach.

Statt neue Streiks zu riskieren, sollte sich die Konzernspitze endlich bereitfinden, ernsthaft mit der Gewerkschaft zu verhandeln, wie hoch ein Sockel- oder Festbetrag sein kann. Denn der würde besonders den Niedrigverdienenden nützen. Das wäre gut für die Beschäftigten – und für alle Bahnkund:innen.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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