EU-Mercosur Handelsvertrag: Ringen um „Voldemort-Abkommen“

Die EU-Kommission macht Druck, Deutschland hadert mit Waldschutz, und in den Mercosur-Ländern sind Politiker genervt von den vielen Vorgaben der EU.

Silberner Tanker vor dem EU-Ratsgebäude in Brüssel mit der Aufschrift Greenpeace, Stop EU-Mercosur Toxic deal

Auch während des EU-Handelsministertreffens im Mai gab es Proteste Foto: Sylvain Plazy/ap/dpa

BERLIN taz | In EU-Kreisen wird es auch „Voldemort-Abkommen“ genannt, nach dem Bösewicht bei Harry Potter, dessen Name sich niemand zu sagen traute. Die EU-Kommission ringt um das Handelsabkommen zwischen EU und Mercosur. Bereits vor fast 25 Jahren begannen die Verhandlungen mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay über ein Abkommen, das die weltweit größte Freihandelszone schaffen würde.

Doch nun drängt die Zeit: Für die Energiewende hätte Europa gerne Zugang zu wichtigen Rohstoffen aus Lateinamerika wie Kobalt, Nickel und Lithium, die für Batterien benötigt werden. Auch die europäische Autoindustrie, Maschinenbau- und Chemieunternehmen würden profitieren.

Widerstand hält sich hartnäckig aus Österreich, Frankreich und den Niederlanden, allen voran gestützt von der Agrarlobby, die Nachteile für ihre Bauern vermutet, wenn Rinderfleisch und Agrarprodukte aus den lateinamerikanischen Staaten günstiger in die EU importiert werden können.

Umweltorganisationen hingegen betonen den schädlichen Effekt für das Klima von den größten Handelsprodukten Rind, Autos und Pestiziden. Auf breite Kritik am Abkommen stößt außerdem die Gefahr für den Amazonas-Regenwald. Die Abgeordnete Kathrin Henneberger (Grüne) war mit Fraktionsmitgliedern und Grünen Abgeordneten des Europaparlaments in Brasilien. „Allein die Nachricht, dass Mercosur auf dem Weg ist, hat den Druck auf den Regenwald bereits erhöht“, berichtet sie.

Kritik an Zusatzerklärung

Um die Kritiker zu beschwichtigen, hat die EU-Kommission eine Zusatzerklärung entworfen, die dem Abkommen angehängt werden und für mehr Nachhaltigkeit und Schutz der indigenen Bevölkerung sorgen soll. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Umweltinstituts München bezweifelt jedoch ihre Wirksamkeit, da sie den Vertragstext nicht ändere und weiterhin umweltschädliche Produkte fördere. Auch gebe es keine Möglichkeiten Sanktionen zu verhängen bei Verstößen gegen Umweltschutz oder Arbeitsstandards.

Die Kommission hat ihren Vorschlag bereits den Mercosur-Staaten übermittelt und wartet auf Antwort. Derweil kommt Kritik auch von der Bundestagsfraktion der Grünen, die den aktuellen Entwurf nicht für ausreichend hält, um den Regenwald wirksam zu schützen. Vergangene Woche stellte sie im Wirtschaftsausschuss ein Gutachten für ein zusätzliches Instrument vor.

Mit einer Vertragsergänzung soll ein völkerrechtlicher Teil zum Waldschutz eingefügt werden. Es würde staatliche Entwaldung verbieten und die Bekämpfung privater Entwaldung oder Waldschädigung verankern sowie Berichterstattung dazu festlegen.

„Historische Chance“ unter Lula

„Unter Brasiliens Präsident Lula gibt es die historische Chance, den Regenwald vor Abholzung zu retten“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Andreas Audretsch. Deshalb sei es wichtig, jetzt diese Chance zu nutzen. „Mit unserem Vorschlag haben wir das stärkste Waldschutzinstrument entwickelt, das es je in einem Handelsabkommen gab“, findet Audretsch.

Die Mercosur- Staaten begrüßen das Abkommen bislang und zeigen sich auch aufgeschlossen gegenüber der Zusatzerklärung. Allerdings gibt es auch Unmut über die vielen Regelungen in der EU, die neue Entwaldungsverordnung etwa oder Forderungen nach Sanktionsmechanismen, die als paternalistisch und protektionistisch wahrgenommen werden.

Mitte Juli treffen sich die Mercosur-Staaten und die EU zu einem Gipfel in Brüssel. Dann sollen die nächsten Schritte für das EU-Mercosur-Abkommen verkündet werden.

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