Stop-Deportation-Camp am BER: „Wir sind nicht zum Urlaub hier“

Hunderte Ak­ti­vis­t*in­nen protestieren gegen Asylpolitik und den geplanten Bau eines Abschiebezntrums. Polizei und Nachbarn sehen das nicht gerne.

Ein Rot-Weißes Zirkuszelt steht im Protestcamp am BER

Im Versammlungszelt wird der Widerstand organisiert Foto: Susanne Memarnia

BERLIN taz | Die Anreise zum Protestcamp ist spooky. Vom Terminal 1–2 am BER soll man laut Navi dem Zaun des Flughafens folgen. Ein ödes Niemandsland von Parkplätzen und Servicearchitektur, dann beginnt ein Sandweg, der dem Zaunverlauf nach rechts folgt. An jeder Abzweigung des Wegs sitzen Männer in dunklen Autos – Zivilpolizei? – oder Uniformierte in ihren Wannen. Alle paar Minuten dröhnt ein Flugzeug im Landeanflug so dicht über dem Kopf. Kurz vor dem Camp nahe des Kiekebusch Sees hängt ein Zettel am Zaun und warnt, diesen Weg zu nehmen – wegen der Polizeipräsenz.

„Wir werden die ganze Zeit schikaniert“, erzählt ein junger Mann, der für die Pressebetreuung zuständig ist. Seit Tagen verteilten Po­li­zis­t*in­nen Strafzettel von 50 Euro für Radfahrer*innen, die ein Handy in der Hand halten – ohne würde man das Camp gar nicht finden – und jede Person of Colour werde kontrolliert. Trotzdem müsse man jetzt mit der Polizei kooperieren: Mehrfach seien Männer zum Camp gekommen, hätten die Ak­tivs­t*in­nen bedroht. Daher habe man mit der Einsatzleitung nun über Schutz geredet. „Dafür ist die Polizei ja da“, findet der Aktivist.

Bis kommenden Dienstag sollen nun 500 bis 600 Ak­ti­vis­t*in­nen auf Einladung der Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ in Sichtweite des Flughafens tagen. Es geht gegen das geplante Ein- und Ausreisezentrum, aber auch generell gegen Abschiebungen und für offene Grenzen. Es wird viel diskutiert und genetzwerkt werden, am Montag (Start 13.30 Uhr am Camp) gibt es eine Demo zu den bestehenden und geplanten Abschiebegebäuden.

Der Versammlungsbehörde der Polizei Brandenburg hatte all das nicht gepasst: Im Vorfeld hatte sie versucht, den Protest mit harten Auflagen und einem Ortswechsel zu verhindern – war damit aber zweimal vor Gericht gescheitert.

Zermürbendes System

Nun sitzen zur Eröffnung am Donnerstag vier Geflüchtete auf dem Podium in einem rot-weiß gestreiften Versammlungszelt. Sulti Mandelin berichtet, er*­sie sei seit 10 Jahren in Deutschland und habe noch immer Probleme mit den Papieren. „Wir sind hier wegen des Kolonialismus und seinen Folgen bis heute, wegen der Ausbeutung unserer Länder, der Klimazerstörung und weißer Vorherrschaft“, sagt er*sie. Das Recht auf Bewegungsfreiheit sei ein Recht aller Menschen – Dutzende Aktivist*innen, die nach und nach eintrudeln, applaudieren.

Was die Bedrohung durch Abschiebung für Betroffene bedeutet, erklärt Zango Seydou, ein junger Mann aus Burkina Faso und Aktivist der Berliner Gruppe „No Border Assembly“. „Die Angst ist extrem zermürbend, kann Menschen in den Tod treiben“, sagt er. Auch er habe Depressionen gehabt, weil er Jahre lang um sein Bleiberecht habe kämpfen müssen. „Nur weil ich Hilfe hatte, habe ich das geschafft“, aber er kenne viele, die abgeschoben worden seien, andere hätten sich das Leben genommen.

Omar aus Gambia erzählt von den Schwierigkeiten eines isolierten Lebens in einem Flüchtlingsheim, mit acht Menschen auf einem Zimmer. „Es war schwierig, Deutsch zu lernen“, dennoch habe er eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer abschließen können, berichtet er, schüchtern und stolz zugleich.

Dann kündigt Sulti Mandelin die letzte Rednerin an: Napuli Langa, eine der Leitfiguren der Flüchtlingsproteste vom Oranienplatz vor 10 Jahren. „Für mich und viele ist sie Lehrerin und Vorbild“, sagt Mandelin, „von ihr haben wir gelernt, für unsere Rechte zu kämpfen.“ Selbstbewusst steht Langa auf und animiert die anderen Aktivisti, bekannte Slogans zu rufen wie „Say it loud, say it clear, refugees are wellcome here“.

Der Kampf geht weiter

Dann fragt sie rhetorisch ins Zirkusrund, warum Geflüchtete in Deutschland nicht willkommen seien. „Warum sagt das System Deutschland, diese jungen Männer“ – sie zeigt auf ihre Nebensitzer – seien Wirtschaftsflüchtlinge?“ Die EU-Staaten seien mit ihrer Politik, ihren Waffenverkäufen Verursacher von Elend und Flucht. „Wir sind nicht zum Urlaub hier“ – dennoch würde vor allem Schwarzen Geflüchteten das Leben hier schwer gemacht.

Sulti Mandelin beschließt die Pressekonferenz mit dem Hinweis, dass der Kampf auch nach dem Camp weitergehe. „Wir hören nicht auf, bis wir unsere Rechte haben“, sagt er*­sie kämpferisch. Wieder Applaus.

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