Versorgung für Schwangerschaftsabbrüche: Bremen geht voran

Die Bürgerschaft Bremens hat ein Gesetz beschlossen, das die Infrastruktur für Schwangerschaftsabbrüche sicherstellen soll.

Menschen demonstrtieren vor der Bremischen Bürgerschaft für die Abschaffung des Paragrafen 291a

Demonstration in Bremen gegen den Paragrafen 219a Foto: Carmen Jaspersen/dpa

BREMEN taz | In Bremen eröffnete 1979 die erste Tagesklinik für Schwangerschaftsabbrüche. Jetzt hat die Bremische Bürgerschaft in zweiter Lesung ein Gesetz beschlossen, das die Versorgung für eben diese sicher stellen soll – damit leistet Bremen erneut Pionierarbeit.

Beides hängt zusammen, denn die Tagesklinik, das medizinische Zentrum von Pro Familia, war jahrzehntelang im Land Bremen die Hauptanlaufstelle für Frauen, die einen Abbruch brauchten. Die kamen aus ganz Deutschland, die Hälfte aus Niedersachsen. Als das Zen­trum wie so viele Praxen in anderen Orten zuletzt kaum noch Ärz­t:in­nen fand, die den Eingriff machen wollten, brach die Versorgung teilweise zusammen. In Ferienzeiten oder bei Krankheit war das Zentrum im vergangenen Jahr geschlossen. Bis zu 50 Frauen pro Woche mussten in andere Bundesländer fahren, lange warten oder die Schwangerschaft austragen.

Der Grund: Weil Pro Familia in der Vergangenheit so zuverlässig zur Stelle gewesen war, gibt es in Bremen, anders als in anderen norddeutschen Großstädten, nur wenige Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche ambulant durchführen, auch die Kliniken beteiligen sich nur in geringem Maß. In der 120.000-Einwohner:innen-Stadt Bremerhaven gab es lange niemanden.

Solche Versorgungslücken existieren überall, doch die Regierungen etwa von Niedersachsen oder Bayern ignorieren deren Auswirkungen seit Jahrzehnten. In Bremen hingegen stimmten selbst Po­li­ti­ke­r:in­nen von FDP und CDU nach einer bemerkenswert sachlichen Debatte mit Grünen, Linken und SPD für ein Gesetz, das das Land Bremen verpflichtet, „bedarfsgerechte Angebote zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen“ sicherzustellen, wie es im Entwurf heißt. Auffällig war, dass dieselben CDU- und FDP-Abgeordneten 2020 in einer ähnlichen Debatte emo­tio­nal argumentiert hatten. Jetzt zeigten ihre Redebeiträge, dass sie sich mit Fakten auseinandergesetzt hatten.

Mangelnde Wirtschaftlichkeit

Ob das Gesetz die Situation spürbar verbessern wird, muss sich erst zeigen. Darin waren sich die Beteiligten der Parlamentsdebatte einig. Denn die Selbstverpflichtung ermöglicht dem Senat nur, über finanzielle Förderung steuernd einzugreifen. Angedacht ist laut Maja Tegeler, frauenpolitische Sprecherin der Linken, Fortbildungen für Ärz­t:in­nen zu fördern oder sich an Praxiskosten zu beteiligen, für Umbauten oder Ausstattung. Manche Ärz­t:in­nen begründen die Leistungseinschränkung mit mangelnder Wirtschaftlichkeit. Schwangerschaftsabbrüche kosten Praxen je nach Methode mehr, als sie erstattet bekommen.

Keinen Einfluss hat das Land darauf, ob die finanzielle Unterstützung genügend Ärz­t:in­nen motivieren wird. Denn an den Rahmenbedingungen können die Bre­me­r:in­nen nichts ändern. Die gibt der Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs vor, der Abtreibungen nur ausnahmsweise erlaubt. Straffrei bleibt, wer eine dreitägige Bedenkfrist eingehalten hat und sich hat beraten lassen. Nach der 14. Schwangerschaftswoche muss ein:e Me­di­zi­ne­r:in bescheinigen, dass ein Austragen die physische oder psychische Gesundheit bedroht. Das tun sie fast nur, wenn beim Fötus eine Behinderung diagnostiziert wurde.

Diese Kriminalisierung einer medizinischen Behandlung hat zur Folge, dass Kliniken und Ärz­t:in­nen nicht verpflichtet werden können, eine Versorgung sicherzustellen, sie ist keine Kassenleistung. Zudem trägt der Paragraf zur Stigmatisierung von Abbrüchen bei, die nur in Kauf nimmt, wer sehr davon überzeugt ist, dass sie Bestandteil ärztlicher Arbeit sind.

Das Gesetz verbietet zudem Gehsteigbelästigungen durch christliche Fun­da­men­ta­lis­t:in­nen vor Praxen und Beratungsstellen. Auch damit wäre Bremen Vorreiter.

Gut möglich, dass andere Länder nachziehen. Interesse bekundet hätten ein paar, so ein Sprecher der Bremer ­Gesundheitssenatorin.

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