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Ein anderer Blick

In mehreren Ausstellungen werden Frauen gewürdigt, die die Kunstwelt geprägt haben: Sammlerin Peggy Guggenheim, die Tänzerin Josephine Baker und Künstlerin Jenny Holzer

It Is Guns, 2019 © 2019 Jenny Holzer, member Artists Rights Society (ARS), NY Foto: Joe Carrottay

Von Jana Janika Bach

Höchstens versehentlich sollte den Briten „God Save the Queen“ über die Lippe gehen. Nach 70 Jahren wurde in London ja jüngst die Nationalhymne an den neuen Monarchen angepasst. In Baden-Baden hat das Museum Frieder Burda indes für den Kunstsommer mit „Der König ist tot, lang lebe die Königin“ (13. 5.–8. 10.) lustvoll dem Zeitgeschehen Gegenläufiges ausgerufen.

Noch sehen Banane, Aubergine und Ananas, als Vanitas-„Kitchen Piece“ von Karin Sander festgenagelt, zum Anbeißen aus. An einer anderen Wand endet Supermans Flug, eine lächerliche Luftnummer, jäh im Crash. Gehäkelt hat ihn, weich und kopflos, Patricia Waller. Denn der Titel der Schau ist Programm und als Hommage an eine der schillerndsten Mäzeninnen der Kunst des 20. Jahrhunderts zu verstehen.

Fällt der Name „Peggy“ Guggenheim erscheint die kapriziöse Trägerin extravaganter Schmetterlingssonnenbrillen und ihr Palazzo Venier dei Leoni in Venedig vor Augen. Bevor sich die Nichte des Magnaten Solomon R. Guggenheim am Canal Grande den Traum eines eigenen Museums erfüllte, zeigte sie sich als Gönnerin, Autodidaktin und Pionierin neuer Bewegungen, wie des Surrealismus, Kubismus oder der Abstraktion.

In Verbindung mit ihrem freizügigen Lebensstil und der Pariser Bohème brachte ihr das den inzwischen aus der Zeit gefallenen Zusatz „Mätresse der Moderne“ ein. Das Standing einer intellektuellen Gertrude Stein hatte sie nie; zu Unrecht hieß es, Peggy Guggenheim habe die geschmacklose Sammlung einer reichen Amerikanerin. Über Kapital verfügte sie zweifelsohne, pflegte aber ein Mäzenatentum, das weniger am Profit orientiert war als an der Förderung von Außenseitern, wie Jackson Pollock oder ihrem kurzzeitigen Ehemann Max Ernst.

Ihre Galerie Art of This Century, als Gesamtkunstwerk von Friedrich Kiesler gestaltet, avancierte zum Treff der New Yorker Avantgarde. 1943, vor 80 Jahren, präsentierte sie hier „31 Women“. Eine legendäre Ausstellung, bei der ihr Freund Marcel Duchamp Pate stand und die ausschließlich Künstlerinnen ins Rampenlicht hob. Hitzige Debatten folgten, es habe nie eine „erstklassige Künstlerin“ gegeben, erregte sich etwa der Journalist James Stern im Time Magazine. Ein Statement, das 31 Künstlerinnen der Gegenwart, die der Kurator und künstlerische Leiter Udo Kittelmann des Baden-Badener Museums eingeladen hat, genau wie die männlich konnotierte Kunstgeschichte, mühelos zerpflücken.

Mit von der Partie ist auch Monira Al Qadiri, die im Kunsthaus Bregenz mit der Einzelschau „Mutant Passages“ (22. 4.–8. 10.) geehrt wird. Der Titel spielt auf die Vita der senegalesischen Künstlerin an, die mit 16 Jahren Kuwait, das Land ihrer Eltern, verließ, um in Japan Fuß zu fassen. Sie sei ein „Mutant“, erläutert sie, mit hybrider Identität und undefinierter Heimat. Wundern würde es einen nicht, käme Sigourney Weaver alias Ellen Ripley um die Ecke, wie grün leuchtende Aliens rotieren die Objekte im Raum, dabei handelt es sich um mit Autolack überzogene Bohrköpfe.

Dass Al Qadiri die Problematik fossiler Energien und einer Petro-Kultur zum Metier ihrer Kunst gemacht hat, lässt sich in ihrer Biografie begründen. Man denke nur an den Zweiten Golfkrieg, die Ölpest oder den Notstand, den Kuwait unlängst, wegen eines von dem Staatskonzern KOC verursachten Lecks in der Wüste, ausrufen musste.

Es sei sein Versuch, sich das Leben zu erklären, sagte Tehching Hsieh 2017 über sein künstlerisches Œuvre, das sieben „Extrem“-Performances umfasst. Bei „Jump“, der ersten, sprang er 1973 aus einem Haus in Taipeh und brach sich die Knöchel. Ein Jahr später gelang es dem gebürtigen Taiwaner, den Marina Abramović als „Meister“ bezeichnete, in die USA überzusiedeln. Bis Ende der Achtzigerjahre lebte er in New York ohne Ausweispapiere und jobbte in Restaurants als Reinigungskraft. Er gehe putzen, nach Hause, wieder zur Arbeit und frage sich, „was suche ich eigentlich? Ich bin bereits mitten im Werk“, fand Hsieh rückblickend. Wie wir Lebenszeit nutzen, ergründet er, indem er die seine dafür verwendete.

So auch bei „Time Clock Piece“, Herzstück der Installation in der Neuen Nationalgalerie (1. 4.–30. 7.) in Berlin, zu der 8.627 Aufnahmen und ein sechsminütiger Film gehören. Von 1980 bis 1981 fotografierte sich Hsieh stündlich, wie er in seinem Atelier eine Zeitkarte stempelte. In 133 Fällen misslang dies aufgrund von Schlafentzug und eingeschränkter Bewegung. Mit freundlichen Grüßen an den heutigen Optimierungswahn. Im Spannungsfeld dazu lassen sich 100 Arbeiten aus mehreren Zyklen von Gerhard Richter in Mies van der Rohes Bau betrachten (1. 4.– 2026). Langfristige Dauerleihgaben wie „Birkenau“ (2014), bestehend aus vier, großformatigen Abstraktionen.

Im K21 der NRW-Kunstsammlung wird es hingegen konkret, zugleich verwirrend (11. 3.–6. 8.). Verstörend wirkten auf Passanten die in Lower Manhattan Schwarz auf Weiß an Häuser plakatierten Einzeiler. Tatsachenbehauptungen wie „Protect me from what I want“ aus Jenny Holzers Textserie „Truisms“ (etwa: „Binsenweisheiten“). Im Werk der Konzeptkünstlerin, die zunächst Druckgrafik und abstrakte Malerei im US-Bundesstaat Ohio studierte, ihre Bilder im Mark-Rothko-Stil allerdings für zu mittelmäßig hielt, markierten sie den Auftakt ihres textbasierten Schaffens. Ebenso auf T-Shirts gedruckt, brachte die Tochter eines deutschen Autohändlers und einer Reitlehrerin die von einem breiten Meinungsspektrum inspirierten Slogans unter die New Yorker.

Doch erst 1982, als sie an der LED-Werbetafel über dem Times Square leuchteten, wurde Holzer, spätere Gewinnerin des Goldenen Löwen in Venedig, berühmt.

Ihre sozialkritischen Sprüche wurden viel zitiert, „Abuse of power comes as no surprise“ etwa in der MeeToo-Debatte. Ein „Money creates taste“ fügt sich nur scheinbar in unsere Kultur der Huldigung des kurzen Satzes. Davon, dass Holzers Ge­samt­re­per­toire die knackigen Parolen bei Weitem übersteigt, kann sich im alten Ständehaus in Düsseldorf überzeugt werden. Wie 1989 im Guggenheim Museum rückt der „Survival“-Sitzkreis aus siebzehn roten Granitbänken zusammen. Auch mit neuen Siebdrucken und Ölgemälden wartet die bislang umfangreichste Retrospektive in Deutschland auf.

Peggy Guggenheim hob ausschließlich Künstlerinnen ins Rampenlicht

Eine gestreifte Marmorfassade sollte das Haus haben, das der Architekt Adolf Loos 1928 für die Sängerin und Stilikone Josephine Baker entwarf, aber leider nie baute. Existent indes sind die figurative Skulptur des Bildhauers Sébastien Tamari oder eine Zeichnung von Le Corbusier, der das schlafende Showgirl während einer Schiffsreise porträtierte. Welch enormen Einfluss Baker auf die Kunst hatte, dokumentiert eindrücklich die Schau „Freiheit – Gleichheit – Menschlichkeit“ (18. 5.–24. 9.). Eine Prämisse, nach der die spätere Widerstandskämpferin und Bürgerrechtsaktivistin Zeit ihres Lebens handelte.

Das Stereotyp von der Nackttänzerin im Bananenrock oder mit wenigen Federn bedeckt, wie Baker nach einer USA-Tournee erst Paris, dann Berlin in Ekstase versetzte, wird nur kurz in der Kunsthalle Bonn reproduziert. 1926, im Alter von 20 Jahren, trat die „Schwarze Venus“, erster weiblicher Superstar mit afroamerikanischen Wurzeln, das Becken zu Jazzrhythmen kreisend im Nelson-Theater am Kurfürstendamm auf. „Ihr Popo, mit Respekt zu vermelden, ist ein schokoladener Grieß-Flammerie an Beweglichkeit“, kommentierte die Zeitschrift Der Querschnitt.

Drei Jahre darauf schlug Baker hier auf Bühnen statt Anbetung Hass entgegen, Nazi-Blätter verfemten sie als „Halbaffen“. In ihrer Wahlheimat Frankreich schloss sie sich während des Zweiten Weltkrieges Charles de Gaulle und der Résistance an, um anschließend in den USA an der Seite Martin Luther Kings für Gleichberechtigung einzutreten, etwa als sie 1963 beim Walk on Washington sprach. Historische Aufnahmen, Filme der Revuen, Schallplatten oder Interviews ordnen in Bonn Bakers bewegtes Leben ein. In ihren Memoiren tat sie das selbst, über die geteilte deutsche Hauptstadt, die sie ab den 1950ern unglaublicherweise wieder besuchte, schrieb sie, nirgends sonst hätte sie mehr Liebesbriefe erhalten.