Deutsche Wirtschaft in der Rezession: Arbeitsmarkt stabil trotz Abschwung

Weil Privatleute weniger Geld ausgeben, schrumpft die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge. Das ist eine Folge der Reallohnverluste.

Schaufensterpuppen

Nachgelassen haben vor allem private Konsumausgaben. Ver­brau­che­r:in­nen haben sowohl für Nahrungsmittel als auch für Bekleidung und Möbel weniger Geld ausgegeben Foto: Imago

BERLIN taz | Die deutsche Wirtschaft ist zwei Quartale in Folge geschrumpft. Am Donnerstag hat das Statistische Bundesamt seine vorläufigen Zahlen über die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die ersten drei Monate des Jahres 2023 korrigiert. „Nachdem das BIP bereits zum Jahresende 2022 ins Minus gerutscht war, verzeichnete die deutsche Wirtschaft damit zwei negative Quartale in Folge“, sagte Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes.

Volks­wir­t:in­nen sprechen in diesem Fall von einer „technischen Rezession“, die nichts über die Entwicklung des Gesamtjahres aussagt. Im 4. Quartal 2022 war das BIP aufgrund von Inflation und hoher Energiepreise um 0,5 Prozent gesunken.

Nach den neuen Zahlen ist die Wirtschaftsleistung zwischen Januar und März 2023 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent gefallen. In einer Schätzung von Anfang April waren die Sta­tis­ti­ke­r:in­nen davon ausgegangen, dass das BIP stagniere. Deutschland schneidet schlechter ab als die europäischen Nachbarn.

EU-weit ist die Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten um 0,2 Prozent gewachsen, in Spanien und Italien um 0,5 Prozent, in Frankreich um 0,2 Prozent. Die leichte wirtschaftliche Flaute in Deutschland geht aber nicht einher mit einer Abnahme der Beschäftigung. Das BIP erwirtschafteten im 1. Quartal rund 45,6 Millionen Personen, das waren mit 446.000 Erwerbstätige 1 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2022.

Nachgelassen haben vor allem private Konsumausgaben, die um 1,2 Prozent sanken. Ver­brau­che­r:in­nen haben sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Möbel weniger Geld ausgegeben. Das dürfte eine Folge der Reallohnverluste sein, die die Beschäftigten aufgrund der geringen Lohnerhöhungen erlitten haben und erleiden.

Gegenüber dem 4. Quartal 2022 stark gesunken sind die staatlichen Konsumausgaben, die um 4,9 Prozent fielen. Das ist vor allem auf den Wegfall der staatlichen Coronamaßnahmen zurückzuführen. Gestiegen sind dagegen wegen des milden Winters die Investitionen im Baugewerbe, sie kletterten um 3,9 Prozent. Auch der Außenhandel ist gewachsen, die Exporte von Waren und Dienstleistungen stiegen 0,4 Prozent.

Wirtschaftsministerium erwartet Wachstum

„Die deutsche Wirtschaft hat im Winter eine Schwächephase durchlaufen“, kommentierte ein Sprecher des von Robert Habeck (Grüne) geführten Bundeswirtschaftsministeriums die Zahlen. „Im Jahresverlauf erwarten wir weiterhin eine deutliche Besserung.“ Die Regierung geht für das Gesamtjahr weiter von einem leichten Wachstum aus. Diese Erwartung werde durch die aktuellen BIP-Zahlen bestätigt, sagte der Sprecher. Die Wertschöpfung in Industrie, Bau und vielen Dienstleistungsbereichen habe sich im 1. Quartal „recht solide“ ­entwickelt, Investitionen stiegen spürbar.

Die Opposition – auch die in der Regierung – reagiert weniger gelassen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte eine „wirtschaftspolitische Zeitenwende“, wie es sie in der Verteidigungspolitik gegeben hat. Die Regierung werde noch in diesem Jahr Maßnahmen ergreifen, um die Investitionsbedingungen zu verbessern, kündigte er an. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz erklärte, die Zahlen seien ein „Weckruf“ für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Viele Unternehmen zweifelten wegen der Arbeit der Bundesregierung an der Zukunft des Standorts.

Öko­no­m:in­nen bewerten die Lage unterschiedlich. Ana­lys­t:in­nen von Banken sehen eher pessimistisch in die nahe Zukunft. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin dagegen geht davon aus, dass sich der private Konsum im Laufe des Jahres erholen wird.

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