Pressefreiheit in Russland: 15 Jahre Haft für Armeekritik

In Russland schweigt man zum Krieg, auch wenn die Menschen ihn ablehnen. Für Kritik gibt es hohe Haftstrafen.

Zwei Kinder mit Gasmasken

Militärisches Training der Jugendarmee in Sewastopol/Krim, 19. Mai 2023 Foto: Alexey Pavlishak/reuters

Was ich jetzt schreibe, darf ich in meiner Heimat nicht öffentlich sagen. Man darf nicht kritisieren, was die Armee und die russische Regierung in der Ukraine tun. Man darf nicht einmal Fragen stellen oder Mitleid mit Verstorbenen äußern. Um öffentliche Meinungsäußerungen zu verhindern, verabschiedet das rus­sische Parlament ein Gesetz nach dem anderen.

Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.

Für Kritik an der Armee kann eine hohe Geldstrafe verhängt werden oder eine Haftstrafe bis zu 15 Jahren. Weil man mit diesen Gesetzen all denjenigen den Mund verbietet, die nicht einverstanden sind, kann der Eindruck entstehen, dass eine große Mehrheit den Krieg unterstütze.

Man hat die Menschen in einen Zustand gebracht, dass die Kriegsgegner sogar bei Diskussionen jedes öffentliche Streitgespräch verlieren. Allein deshalb, weil sie für ihre Argumente im Gefängnis landen können.

Deshalb sind in Russland Proteste gegen den Krieg kaum möglich. Um eine größere Kundgebung zu organisieren, braucht man Leute, die das alles koordinieren. Und die werden gleich von Anfang an unter Druck gesetzt. Allein 2022 wurden mehr als 15.000 Personen verfolgt, weil sie sich gegen den Krieg geäußert haben. Das betrifft sowohl Politiker als auch Bürger, die nicht mit dem einverstanden sind, was um sie herum geschieht.

Persönliche Gespräche drehen sich allerdings immer um den Krieg. Und Einigkeit bei diesem Thema, wie sie im Fernsehen gezeigt wird, gibt es nicht. Schon lange beschwert sich niemand mehr über die Sanktionen gegen Russland, man hat sich einfach an sie gewöhnt. Es geht bei den Gesprächen nur noch darum, ob es richtig ist, Menschen wegen irgendwelcher Hirngespinste zu töten.

So hat zum Beispiel das kürzlich aufgetauchte Video von der Enthauptung eines gefangenen ukrainischen Soldaten alle erschüttert, und sogar die schlimmsten Propagandisten mussten daraufhin zugeben, dass auch russische Soldaten Kriegsverbrechen begehen.

Obwohl einer der eifrigsten russischen Kriegsjournalisten, Anton Krasowski, erklärt hat, man dürfe sich für das, was zu sehen sei, nicht schämen, denn das Video sei „gemacht, um uns moralisch zu demütigen“.

Ich kenne keinen einzigen Menschen aus meinem Bekanntenkreis, der das, was mit diesem Soldaten passiert ist, gutheißen oder auch nur neutral betrachten würde. Und selbst Menschen, die diesen Krieg unterstützen, sagen im privaten Gespräch, dass die Verbrecher gefunden und bestraft werden müssen.

Aber darüber offen zu sprechen, ist gefährlich. Es kann als „Diskreditierung der Armee“ gelten und zu straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren führen. Darum schweigen alle – oder schreiben Texte für deutsche Zeitungen.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Finanziert wird das Tagebuch von der taz Panter Stiftung.

Ein Sammelband mit Tagebüchern ist vergangenen September beim Verlag edition.fotoTAPETA erschienen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

der Autor ist Journalist und lebt in Wladikawkas, der Hauptstadt Nordossetiens im Kaukasus. Er schreibt unter Pseudonym.

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

Diese Kolumne ist nur möglich dank Ihrer finanziellen Hilfe. Spenden Sie der taz Panter Stiftung und sorgen Sie damit für unabhängige Berichterstattung von Jour­na­lis­t:in­nen vor Ort.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.