Serie „Juan Carlos“ über Monarchie: Spanien als Failed State

Die Serie „Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat“ behandelt Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen spanischen König. Der hat das Land längst verlassen.

Juan Carlos im Gegenlicht

Der Spanische König Juan Carlos Foto: Daniel Ochoa de Olza/ap

Natürlich ließe sich mit hochgezogener Augenbraue auf die Mitteilung reagieren, die Gebrüder Beetz hätten für Sky ein Stück über Spaniens König Juan Carlos gedreht. Und dann gleich auch noch eine vierteilige Miniserie! Doch dass der mit diversen Grimme- und anderen Preisen ausgestattete Christian Beetz und sein Team jetzt auf den Spuren der Goldenen Blättchen mit Herz wandeln, muss zum Glück niemand ernsthaft befürchten.

Wer Beetz („Cleaners“, „Rohwedder“) kennt, weiß: Da steckt noch viel mehr dahinter. Wobei die deutsche Affinität fürs Ro­yale und die wenig investigative Ausprägung der hiesigen Adelsfachpresse die eine oder den anderen Mit­mi­sche­r*in in der königlichen Saga um den abgestürzten Thronhelden aus dem Hause der Bourbonen schon in trügerische Sicherheit gewiegt haben dürfte.

Beetz, sein Showrunner Georg Tschurtschenthaler und Creative Producerin Anne von Petersdorff liefern mit „Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat“ aber keinen Adelskitsch, sondern knallhartes Dokutainment. Das international („Juan Carlos – The Fall of a King“) natürlich einen viel besseren Titel trägt.

Bei der Berlinale 2020 hatte Beetz den spanischen Autor und Regisseur Pedro Bardillo kennengelernt. „Der sprach mich an, ob ich nicht Interesse hätte, mich mit Juan Carlos zu beschäftigen. Ich habe höflich geantwortet, dass ich keine Royal-Filme mache und mich so was nicht interessiert. Aber als er dann mehr von der dunklen Seite von Juan Carlos erzählte, war ich gefangen“, sagt Beetz.

Faible für Luxus und Großwildjagd

Denn da ist der einstige Reform-Monarch, der zwar unter Franco ausgebildet wurde, aber dann eine Kehrtwende machte und Spanien erfolgreich in eine parlamentarische Demokratie führte. Ein Liebling der Frauen mit tapferer Gattin, einem Faible für Luxus und Großwildjagd bei vergleichsweise schmalem Salär als König. Aber dafür mit einem an Patricia Schlesinger gemahnenden Habitus des „Jetzt steht mir auch mal etwas zu!“.

Was dazu führte, dass Juan Carlos laut New York Times über die Jahre rund 1,8 Milliarden an höchst fragwürdigen Geldern zusammengesammelt hat. Außerdem war er über viele Jahre mit einer Deutschdänin liiert, die er wohl wirklich liebte. Doch daraus wurde nichts. Heute ist Corinna zu Sayn-Wittgenstein die Kronzeugin der Doku.

„Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat“ ist ein rasanter Lauf durch die jüngere Geschichte Spaniens, das fast als Failed State daherkommt. „Der König genießt laut Verfassung totale Immunität. Deswegen ist Juan Carlos ja auch nie etwas passiert. Jeder Ansatz ist sofort im Keim erstickt worden, weil er als König auch die Chefs der Geheimdienste einsetzte“, sagt Beetz. „Und die waren dafür da, hinter ihm aufzuräumen.“

Einer von ihnen packt am Ende des Films aus. José Manuel Villarejo saß im Gefängnis, weiß mehr, als er sagt, und schützt sich durch Information. „Das ist sein Prinzip. Wir haben ein Treffen gehabt, mussten alle Handys abgeben, und dann ging es in abhörsichere Räume in einem Madrider Restaurant“, so Beetz: „Und er sagte, er hat da noch mehr.“

Geheimnisse in schwarzen Koffern

Villarejo hatte Corinna zu Sayn-Wittgenstein Details über Juan Carlos’ Finanzgebaren entlockt. Als 2018 die Aufnahmen des Gesprächs publik wurden, half Juan Carlos nicht mal mehr, dass er schon 2014 abgedankt und das Zepter an Sohn Felipe weitergereicht hatte. 2020 ging er ins Exil in die Vereinigten Arabischen Emirate. Auch Sayn-Wittgenstein schützt ihr Wissen. Sie hortet in den vor ihr so genannten „Black Boxen“ vermutlich noch weit mehr als nur Juan Carlos’ einstige Liebesbriefe.

Dass prompt im Film große schwarze Koffer zu sehen sind und es auch die ein oder andere gestellte Szene gibt – geschenkt. Wir sind bei Sky, und dass der deutsche Zweig des Pay-Imperiums sich dieses Stoffs als investigativer True-Crime-Doku annimmt, ist alle Achtung wert. „Die Geschichte ist aus Spanien nicht erzählbar“, sagt Christian Beetz.

Ein anderer großer Streamer hatte aus Rücksicht auf „Government Relations“ seine Begeisterung für den Stoff schnell wieder verloren. Und bei den Öffentlich-Rechtlichen hierzulande scheint weiterhin eher die heile Welt der blaublütigen Konjunktur zu haben, wie sich bei der Thronbesteigung von Charles III. zeigte. „Dabei ist das spanische Königshaus viel interessanter und politischer als der Winkeonkel aus UK“, kommentiert Beetz trocken.

So politisch übrigens, dass Sky im Vereinigten Königreich den Serienstart aus juristischen Bedenken erst mal verschoben hat. In Spanien läuft die Serie, die übrigens als einziger deutscher Beitrag Premiere beim internationalen Serienfestival Cannesseries im April hatte, dagegen seit Montag bei SkyShowtime.

In einer früheren Version des Beitrags hieß es, Corinna zu Sayn-Wittgenstein habe sich schon als neue spanische Königin gesehen. Wie uns die PR-Berater von Corinna zu Sayn-Wittgenstein, die aktuell vor dem Londoner High Court gegen Juan Carlos I vorgeht, mitteilen, trifft dies nicht zu. Corinna zu Sayn-Wittgenstein sei vielmehr der Auffassung, der König eines katholischen Landes hätte sich nie scheiden lassen.

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