Neue Wohnungen in der Baukrise: Ampel verfehlt ihr Neubau-Ziel

400.000 neue Wohnungen pro Jahr wollte Bundesregierung. Jetzt ist klar: 2022 sind nur 295.300 entstanden. Immerhin gibt es einen leichten Zuwachs.

Neubaugebiet im Westen von Erlangen Foto: Imago

BERLIN taz | Im vergangenen Jahr sind bundesweit 295.300 neue Wohnungen entstanden. Das ist ein kleiner Zuwachs von 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Niveau von 2020, als 306.400 Wohnungen fertiggestellt wurden, wurde nicht erreicht. Auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben Woh­nungs­po­li­ti­ke­r*in­nen und die gesamte Baubranche gespannt gewartet. Denn damit ist nun offiziell: Die Bundesregierung hat ihre Neubauziele verfehlt. Eigentlich sollten 400.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden, davon 100.000 öffentlich gefördert. Es war eines der zentralen Wahlkampfversprechen von Olaf Scholz.

Wie viele der 2022 fertiggestellten Wohnungen Sozialwohnungen sind, ist allerdings noch nicht bekannt. Klar ist nur: Die Zahl der errichteten Einfamilienhäuser sank um 1,5 Prozent, während es ein Plus von 14,1 Prozent bei den Zweifamilienhäusern und einen Zuwachs von 1,5 Prozent bei den Mehrfamilienhäusern gab. Die Zahl der Neugenehmigungen ging um 7 Prozent auf 354.200 zurück. Der sogenannte Bauüberhang stieg weiter an: Zum Jahresende 2022 waren 884.800 Wohnungen genehmigt, aber noch nicht gebaut. Bei mehr als der Hälfte (462.900 Wohnungen) hatten die Bauarbeiten aber bereits begonnen.

Dass die Zielmarke der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen 2022 nicht erreicht wird, hatte sich schon länger abgezeichnet. Mit dem russischen Angriffskrieg haben sich die Baubedingungen enorm verschlechtert. Unterbrochene Lieferketten sowie höhere Material- und Energiepreise treffen auf steigende Bauzinsen und fehlende Fachkräfte. Zugleich ist der Bedarf an Wohnungen durch den Zuzug von Geflüchteten gestiegen.

Die Bundesbauministerin zeigte sich dennoch zuversichtlich. „Die Baufertigstellungszahlen zeigen, der Bau bleibt auch in der Krise stabil“, sagte Klara Geywitz (SPD) am Dienstag in Berlin. Das sei nicht das „Schreckensszenario, das von einigen an die Wand gemalt wurde“. Bürokratieabbau, Digitalisierung und eine verlässliche Förderung solle die Baubranche weiter unterstützen. Geywitz geht davon aus, dass in diesem Jahr 50.000 Sozialwohnungen fertig werden und es langfristig zu einem Anstieg kommt.

„Das Ziel von 100.000 neuen Sozialwohnungen ist im Jahr 2022 mit Sicherheit gerissen“, kritisierte die Wohnungspolitikerin Caren Lay (Linke) gegenüber der taz. Lay fordert neben einer Umbaustrategie, „um Leerstand im Bestand zu reaktivieren“, auch 15 Milliarden Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau. Zum Vergleich: In dieser Legislatur stellt der Bund dafür den Ländern bis 2026 nur 14,5 Milliarden Euro bereit. „Neue Büros oder Lofts brauchen wir keine, sehr wohl aber sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau“, sagte Lay. Dafür brauche es eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit sowie eine Bodenpreisbremse.

Die Baubranche warnte vor einem weiteren Einbruch in diesem Jahr. „Wenn jetzt politisch nichts passiert, dann ist der Wohnungsbau am Ende“, sagte der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), Robert Feiger. Die IG Bau fordert zur Abfederung ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau.

Der baupolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Föst, bezeichnete die Zahlen als „deutliches Warnsignal“. Der Staat müsse nun gegensteuern und „die staatsgetriebenen Kosten senken, die Normen und Vorschriften ausdünnen und endlich die ewigen Planungsverfahren verkürzen.“

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