Ampelkrise wegen Heizungsgesetz: Es ist Blut im Becken

Man kann zur Krise der Ampel zwei verschiedene Narrative auf Kosten der Grünen bilden. Das Problem ist: Beide sind wahr.

Habeck, Scholz und Lindner nebeneinander

Habeck, Scholz und Lindner noch einig bei der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven im Dezember 2022 Foto: Michael Sohn/picture alliance

Die Ampel taumelt in ihre tiefste Krise. Die Grünen wollen per Gesetz den Austausch von kaputten fossilen Heizungen durchsetzen, die FDP spielt ihre Lieblingsrolle als Opposition in der Regierung. Der Tonfall ist gereizt. Das „sehr, sehr gute Ergebnis“ (Kanzler Scholz) des zähen, 30-stündigen Koalitionsausschusses liegt schon wieder halb in Trümmern. Ohne Wärmepumpe drohen Grüne das Ja zu Autobahnen und Abschaffung der Klima-Sektorenziele zurückzuziehen. Es regiert die Logik „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Es droht ein Zirkel der Zerstörung.

Warum? Man kann die Geschichte so erzählen: Die Grünen haben vier Fehler gemacht. Sie haben aus Mangel an politischer Erfahrung zugelassen, dass ein Gesetzentwurf ohne soziale Abfederung von Boulevardmedien skandalisiert werden konnte. Sie glauben, dass Klimapolitik nur im Konsens und Bündnis mit der Industrie geht – und haben dabei glatt vergessen, dass Politik Kampf ist, auch wenn man Gutes tun will.

Drittens: Im sozialen Echoraum der Grünen haben viele Wärmepumpen und nur wenige wertlose ungedämmte Eigenheime in der Provinz. Und viertens vertrauen sie zu sehr auf den Markt, der es schon richten wird. Wenn Wärmepumpen nachgefragt werden, so die Idee, wird es auch genug geben – irgendwann.

Man kann die Geschichte auch anders erzählen. Springer fährt seit Monaten eine bösartige ressentimentgeladene Kampagne gegen Robert Habeck. Die Stimmung ist hysterisch, Fakten wie sozialer Ausgleich und mannigfache Ausnahmen werden kaum mehr wahrgenommen. Obwohl weniger als ein Prozent der Heizungen jährlich ersetzt werden muss, hat die halbe Republik panikhafte Verarmungsängste.

Die FDP ist wortbrüchig

Die FDP, die dreimal Ja zum Heizungsaustausch gesagt hat, ist wortbrüchig. Wie soll die Ampel Klimapolitik machen, wenn die FDP im besseren Fall – Verkehrsminister Wissing – nichts tut oder, schlimmer noch, alles ruiniert? Wenn die Grünen nun vor Bild und der irrlichternden FDP kapitulieren, ist das nah an Selbstaufgabe. Es ist Blut im Becken.

Das Problem ist: Beide Geschichten sind wahr. Die Grünen zahlen gerade viel Lehrgeld, und die FDP ist ein Halm im Wind. Und: Diese Debatte hat nicht nur für die Ampel etwas Ruinöses. Sie verwandelt Klimapolitik in einen Kulturkampf von unten gegen oben, von Provinz gegen Eliten. Dabei gewinnen nur die Rechtspopulisten.

Ein Ausweg ist wohl nur ein mit noch mehr Ausnahmen und noch mehr Subventionen versehenes Gesetz. Für diesen Kompromiss ist das Verhandlungsgeschick des Kanzlers gefragt. Sonst gehen bei der Ampel demnächst die Lichter aus.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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