Kriegsende am 8. und 9. Mai: Ukraine feiert künftig mit Europa

Der Sieg über Nazi-Deutschland soll im kommenden Jahr am 8. Mai gefeiert werden. Der 9. Mai wird zum „Europatag“.

Die Kommissarin der Ukraine bei der Kranzniederlegung in Brüssel

Kranzniederlegung in Brüssel am Grab des unbekannten Soldaten Foto: James Arthur Gekiere/imago

LUZK taz | Die Ukrainer haben keine Zeit, das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai besonders zu feiern: In diesen Tagen und Minuten versuchen sie, sich gegen die Nachkommen der Sieger von damals zur Wehr zu setzen. Der 8. und 9. Mai sind seit des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 keine Feiertage mehr – daher gibt es auch keine Veranstaltungen im Land. Aber die Russen begrüßten diejenigen, mit denen sie vor 80 Jahren gegen den Nationalsozialismus gekämpft hatten, mit massivem Beschuss: In der Nacht zum Montag schoss die russische Armee 36 Kamikaze-Drohnen auf Kyjiw ab und griff Odessa mit Raketen an.

Im zweiten Jahr in Folge gehen diese Tage in der Ukraine mit neuen Narrativen einher: „Wir haben den Nazismus besiegt, wir werden auch den Raschismus besiegen“, heißt es. Der Begriff Raschismus ist eine Übernahme aus dem Englischen, „russian fascism“.

Der 8. Mai in der Ukraine hätte wie jeder andere Tag werden können, wäre da nicht diese revolutionäre Entscheidung von Präsident Wolodimir Selenski gewesen. In einer Ansprache zum Jahrestag des Sieges über den Nationalsozialismus kündigte er eine drastische Änderung der Erinnerungspolitik in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg an. Selenski legte dem ukrainischen Parlament einen Gesetzentwurf vor, der den 8. Mai zum Tag des Gedenkens und des Sieges über den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg erklärt.

9. Mai wird zum Tag Europas

Seit 2016 wird der 8. Mai in der Ukraine als Tag des Gedenkens und der Versöhnung bezeichnet. Der 9. Mai wurde als Tag des Sieges über den Nationalsozialismus begangen. Jetzt hat Selenski vorgeschlagen, diese beiden Tage zu kombinieren und am 8. Mai zu feiern. Da Selenski eine stabile Mehrheit im Parlament hat, wird es keine Probleme mit der Verabschiedung des Gesetzes geben. 2024 wird die Ukraine am 8. Mai also gemeinsam mit Europa den Sieg über den Nationalsozialismus feiern. Diese Entscheidung billigten sogar Selenskis politische Gegner.

„Bis vor Kurzem war es schwer vorstellbar, dass die Ukraine den Tag des Sieges und andere sowjetische und russische Narrative aufgeben könnte. Jetzt weiß jeder Ukrainer, wozu der Sieg und der ideologische Überbau der Raschisten führen“, sagte Wolodimir Wjyatrowitsch von der Fraktion Euro-Solidarität, der Partei von Ex-Präsident Petro Poroschenko.

Der 9. Mai wird in der Ukraine also zum Tag Europas – zusätzlich zum geplanten Feiertag am 8. Mai. An diesem Montag hat Selenski ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. Der Präsident erklärte, dass die Ukrainer „der historischen Einheit aller Europäer Respekt zollen, die den Nazismus zerstört haben und den Raschismus besiegen werden.“

In seiner üblichen, von Metaphern und historischen Parallelen geprägten Morgenansprache, erinnerte Selenski an die Versuche Russlands, den Sieg im Zweiten Weltkrieg für sich selbst zu reklamieren. „Wir werden die Lüge nicht zulassen, dass dieser Sieg ohne die Beteiligung irgendeines Landes oder Volkes hätte stattfinden können. Wir haben das Böse zusammen zerstört! So wie wir jetzt gemeinsam dem Übel widerstehen. Wir werden uns an jeden Staat und jede Nation erinnern, der und die im Kampf für die Freiheit an unserer Seite gestanden hat“, sagte Selenski.

Aus dem Russischen von ­Barbara Oertel

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.