Initiative des Europarats für Ukraine: Den eigenen Stall sauber halten

Zwar haben Moskau und andere den Europarat jahrelang vorgeführt. Umso begrüßenswerter ist jetzt dessen Einsatz für die Ukraine. Doch es braucht mehr.

Gruppenbild beim Gipfel des Europarates auf Island

Die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel des Europarates Foto: Kay Nietfeld/dpa

Der Europarat ist auch einmal für positive Schlagzeilen gut. Bei ihrem Gipfel im isländischen Reykjavík hat die dienstälteste Organisation des alten Kontinents die Einrichtung eines Registers beschlossen, in dem von Russland in der Ukraine verursachte Kriegsschäden erfasst werden sollen.

Dieser Schritt geht weit über Symbolpolitik hinaus. Er kann zu einer soliden Grundlage werden, um reale Verluste beziffern und Forderungen nach Entschädigungszahlungen nachkommen zu können. Und er macht deutlich, was es noch braucht, um den Ukrai­ne­r*in­nen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Die Einrichtung eines Sondertribunals, um diejenigen, die sich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Auch gilt es, die Frage nach juristischen Möglichkeiten, russische Vermögenswerte zwecks Kompensation heranzuziehen, zu beantworten.

In seinem Redebeitrag für Reykjavík sagte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass der Europarat heute so wichtig wie wohl nie zuvor sei und seine Mitglieder ihre gemeinsamen Regeln künftig noch ernster nehmen müssten.

Wie wahr, nur hat gerade das der „Hüter von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ in der Vergangenheit nicht immer getan. Erinnert sei daran, dass sich Europarats-Abgeordnete von Aserbaidschans autokratischem Präsidenten Ilham Alijew für Gefälligkeitsgutachten über Wahlen gut bezahlen ließen. Auch Moskau führte den Europarat jahrelang vor. Geg­ne­r*in­nen eines längst überfälligen, mittlerweile vollzogenen Ausschlusses Russlands hatten argumentiert, man nähme Menschen aus Russland die Chance, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Dabei wurden dessen Urteile gegen Russland allenfalls partiell und schließlich gar nicht mehr umgesetzt.

Deshalb gilt, so begrüßenswert der Einsatz für die Ukraine auch ist: Den eigenen Stall ausmisten und, mindestens genauso wichtig, sauber halten. Das sollte, vor allem in Zeiten des Krieges, selbstverständlich sein.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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