Urteil gegen ehemaligen Grünen-Politiker: Kinderkopfhörer auf Fraktionskosten

Ehemaliger Bezirkspolitiker und Ex-Lebensgefährte der Justizsenatorin wird in Hamburg wegen Untreue, Betrug und Urkundenfälschung verurteilt.

Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina und ihr ehemaliger Lebensgefährte Michael Osterburg (beide Grüne)

„Politisch in Sippenhaft genommen“: Senatorin Gallina mit Ex-Lebensgefährte Osterburg (beide Grüne) Foto: Grünen-Bürgerschaftsfraktion

HAMBURG taz | Rosen zum Muttertag, rosa Kinderkopfhörer, reichlich EDV und Restaurantbesuche – all das und noch viel mehr hat der Lokalpolitiker Michael Osterburg auf Kosten der grünen Bezirksfraktion Hamburg-Mitte abgerechnet. Das Hamburger Landgericht hat ihn dafür in 113 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Osterburg muss sich zwei Jahre bewähren, die Prozesskosten tragen und 10.000 Euro Schadenersatz bezahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren gefordert.

In der am Mittwoch vorgetragenen Urteilsbegründung wurde noch einmal deutlich, mit welcher Konsequenz, Nonchalance und Dreistigkeit Osterburg als damaliger Vorsitzender in die Kasse seiner Fraktion gegriffen hat. Das betrifft den Charakter der Anschaffungen, die zum Teil ganz offensichtlich nichts mit der Fraktionsarbeit zu tun hatten. Es setzt sich fort in den zum Teil prominenten Gesprächspartnern, mit denen er Essen gewesen sein will, und gipfelt in fiktiven Abrechnungen zur Kinderbetreuung, einschließlich gefälschter Unterschriften.

„Wir haben es mit einem zutiefst ambivalenten Verfahrensgegenstand zu tun“, sagte der Richter André Hienzsch einleitend. Einerseits gehe es um eine Provinzposse, bei der ein Lokalpolitiker seine Mettbrötchen als Geschäftsessen habe abrechnen lassen, andererseits um eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Fällen über den ungewöhnlich langen Zeitraum von vier Jahren.

Osterburg habe vielen Menschen geschadet: Seiner Fraktion, die zum Teil die Gehälter ihrer Mitarbeiter nicht habe bezahlen können; sich selbst, weil er zum Symbol einer angeblich korrupten Politikerkaste geworden sei; seiner Lebensgefährtin, der Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), die politisch in Sippenhaft genommen worden sei. Dazu komme der emotionale Schaden: Wie es sich wohl anfühle, wenn man ein Weihnachtsgeschenk aus veruntreuten Geldern bekommen habe, fragte der Richter.

Skandal Hummeressen

Mit einem gewissen Sinn für Humor fasste Hienzsch die Zeugenaussagen über die Geschäftsessen zusammen, die sich in sechs Kategorien fassen ließen: „Ich kenne Herrn Osterburg nicht. Ich habe Herrn Osterburg niemals getroffen. Ich habe dieses Restaurant nie betreten. Osterburg hat mein Essen nicht bezahlt. Das Treffen war rein privater Natur.“

Zum Teil ergebe sich aus der Natur der Belege, dass es kein Geschäftsessen hätte sein können, etwa wenn ein Kinderteller oder nur eine einzige Portion und ein Getränk bestellt worden sei. „Ich habe meine Pizza mit Herrn Osterburg nicht geteilt“, gab der Richter eine Zeugenaussage wieder. Der höchste Einzelposten war ein später öffentlich skandalisiertes Hummeressen auf der Insel Malta, bei dem es um das Thema Seenotrettung gegangen sein sollte.

Bei einem Teil der von Osterburg beschafften Computer und Drucker gestand ihm der Richter zu, dass er sie wohl auch für die Fraktionsarbeit verwendet habe. Osterburg müsse aber gewusst haben, dass jedem Bezirkspolitiker eine IT-Pauschale zustehe. „Ein Bezirkspolitiker muss technisch nicht besser ausgestattet sein als ein hauptamtlicher Richter am Landgericht“, sagte Hienzsch. Auch sei Kinderbetreuung schon an sich nur in engen Grenzen erstattungsfähig.

Bei den 113 Fällen, die der Richter Osterburg zur Last legte, ging es 51-mal um Untreue, 51-mal um Untreue in Verbindung mit Betrug, sechsmal um Untreue und Urkundenfälschung, fünfmal um Untreue, Betrug und Urkundenfälschung.

Strafmildernd wertete der Richter Osterburgs Geständnis. Zumindest beim zweiten Versuch habe er sich „klipp und klar zu seiner Verantwortung bekannt“. Osterburgs Kooperation habe das Verfahren mit 11.000 Blatt Akten und 160 Zeugen verkürzt. Er sei bisher völlig unbestraft; die jüngste Tat liege bereits vier Jahre zurück und er habe bereits 16.000 Euro an die Fraktion zurückgezahlt. Zudem sei seine Sozialprognose günstig. Gegen das Urteil sei eine Revision möglich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.