Energie in Europa: Pro-Atom-Länder verbünden sich

Eine Allianz europäischer Staaten will stärker auf Atomenergie setzen. Bei einem Treffen in Paris koordinierten sie ihre Position.

Baustelle mit vielen Kränen.

Britisches Akw Hinkley Point C: Der Bau verzögert sich seit Jahren immer wieder, die Kosten steigen Foto: Pool Reuters

BERLIN taz | Die VertreterInnen von 16 atomkraftfreundlichen europäischen Ländern haben sich am Dienstag in Paris getroffen, um ihre Strategie zum Ausbau der Kernenergie abzustimmen. Die Staaten, darunter Belgien, die Niederlande und Schweden, waren der Einladung der französischen Energieministerin Agnès Pannier-Runacher gefolgt. Diese erklärte, die Atomenergie sei sowohl wichtig „für unsere Versorgungssicherheit als auch für unsere Klimaschutzverpflichtungen“.

Die Staaten sprachen sich dafür aus, die installierte Leistung der Atomkraft bis 2050 auf 150 Gigawatt (GW) zu steigern. Bislang sind in Europa rund 100 GW am Netz. An dem Treffen nahm auch EU-Energiekommissarin Kadri Simson teil. Die Alliance du nucléaire forderte die EU-Kommission auf, die Atomkraft in ihrer Energiestrategie stärker zu berücksichtigen. Laut dem Abschlussdokument will die Kommission bald auch Position zur Zukunft kleinerer Reaktortypen in der EU beziehen.

Die Länder wollen ferner ihre Abhängigkeit von Brennmaterial aus Russland verringern. 2021 lieferte der russische Staatskonzern Rosatom etwa 20 Prozent des Urans für die EU. Vor allem die osteuropäischen Länder, die in Paris zahlreich vertreten waren, sind bislang auf die russischen Lieferungen angewiesen. Diese sollen durch Importe aus den USA, Japan und Südkorea ersetzt werden.

Tschechien, das bis 2036 einen zusätzlichen Reaktor ans Netz bringen will, bezieht den Brennstoff ab kommendem Jahr nicht mehr von dem russischen Unternehmen TWEL, sondern von Westinghouse aus den USA. Um auch die Anreicherung von Uran in Russland zu ersetzen, baue das französische Atomunternehmen Orano derzeit seine Kapazitäten in der Anlage im französischen Tricastin aus, teilte das französische Energieministerium mit.

Unter den Teilnehmerländern in Paris waren auch das Nicht-EU-Land Großbritannien sowie Italien als Beobachterstaat. Das Parlament in Rom hatte sich erst kürzlich für einen Wiedereinstieg in die Kernenergie ausgesprochen.

Frankreich will Bau von Reaktoren beschleunigen

Ebenfalls am Dienstag will die Französische Nationalversammlung ein Gesetz verabschieden, das den Bau von Atomreaktoren beschleunigen soll. Es sieht vor, dass neue Reaktoren künftig in der Nähe bestehender Anlagen gebaut werden sollen, was Genehmigungsverfahren abkürzen würde. Das Parlament streicht damit wohl zudem die vorgeschriebene Höchstgrenze von 63 GW Atomstrom im Netz sowie das 2015 ausgegebene Ziel, den Anteil von Kernenergie bis 2035 auf 50 Prozent zu senken.

Die Fronten um das Thema Kernkraft in der EU haben sich in den vergangenen Jahren verhärtet, nachdem die Kommission und das Parlament entschieden hatten, sowohl Atomenergie als auch Erdgas unter Auflagen in ihrer Taxonomie für Investoren als nachhaltig einzustufen. Gegen die Entscheidung sprachen sich Luxemburg, Österreich und Dänemark aus.

Die Bundesregierung protestierte lediglich gegen das Nachhaltigkeitssiegel für Atomkraft und verteidigte dagegen in einer Stellungnahme Erdgas als Teil der deutschen Energiewende. Die Ampelkoalition konnte sich wohl auch deshalb nicht darauf einigen, sich einer Klage Österreichs gegen die EU-Einstufung beider Technologien vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anzuschließen. Dort haben vergangenen Monat auch Greenpeace und andere Umweltverbände gegen die Taxonomie geklagt.

Im Kern dreht sich der Streit um die Zukunft der Dekarbonisierung. Länder wie Deutschland wollen ihre Stromversorgung auf lange Sicht vollständig mit erneuerbaren Energien decken und sehen dafür auch das fossile Erdgas als Brückentechnologie. Andere Länder verweisen auch auf den Aus- oder Neubau der CO₂-armen Kernenergie. Dieser bringt jedoch Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel hat sich der Bau von Akw in Europa – ähnlich wie bei anderen Industrieprojekten – zuletzt verzögert, teilweise um ein Vielfaches. Um die Kosten zu senken und einen schnelleren Nutzen für das Klima zu bringen, müsste der Bau also schneller vonstatten gehen. Das gelingt etwa in China, wo 2021 in Funqing ein neuer Reaktor ans Netz ging. Dessen Bauzeit betrug lediglich fünf Jahre.

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