Kultursymposium Weimar: Wo Elfen noch helfen

Das Goethe-Institut rückte drei Tage lang Politik, Kultur und Wissenschaft in den Fokus. Intellektuelle debattierten über die Krise des Vertrauens.

Szene im dunklen Keller-Labor vor Bildschirmen und Mann mit weißen Kittel

Wer ist Mensch, wer Maschine? Besucher:in­nen beim interaktiven Verhörspiel von Matteo Uguzzoni Foto: Victoria Tomaschko

„Eine Frage des Vertrauens“, so war das diesjährige Kultursymposium in Weimar übertitelt. Es wird regelmäßig alle zwei Jahre in Weimar vom Goethe-­Institut veranstaltet. Je enger man den Begriff des Vertrauens umkreist, desto fragwürdiger wird jedoch seine Berechtigung auf dem politischen Parkett.

Politisches Vertrauen verdient, wer sich glaubwürdig für eine bessere Zukunft der Mehrheit einsetzt. Doch wer bestimmt, wer zur Mehrheit gehört? Ändert sich deren Zusammensetzung, wenn etwa eine Partei regiert, die mit dem Slogan „Deutschland. Aber normal.“ zur Wahl antritt?

Wer zumeist nicht zur Mehrheit zu gehören scheint, sind Geflüchtete. Das Vertrauen der aus Syrien geflohenen Aktivistin und ehemaligen Nationalschwimmerin Sarah Mardini in die Justiz dürfte wohl erschüttert sein. Die in Berlin lebende Mardini war nach ihrer Flucht nach Lesbos zurückgekehrt, um anderen Geflüchteten zu helfen. Sie wurde dort jedoch 2018 von griechischen Behörden festgenommen, der Spionage und des Menschenschmuggels beschuldigt. Die Anklage bestehe weiterhin.

Vertrauen, so erzählt Mardini auf einem Panel zur Zukunft des Aktivismus, habe sie, auch als sie zusammen mit einigen Mitflüchtenden ihr sinkendes Schlauchboot mehrere Stunden lang über das Mittelmeer zog, stets nur in ihre eigene Wut gehabt.

Gescheiterte Russlandpolitik

Für Vertrauen bräuchte es keinen eigenen Begriff, träte nicht regelmäßig auch sein Gegenpart auf den Plan: der Vertrauensverlust. Der kam während des dreitägigen Symposiums immer wieder hinsichtlich der gescheiterten Russlandpolitik zur Sprache. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, sprach sich für ein Aufrechterhalten harter Sanktionen gegen Moskau aus.

Auf den Prüfstand steht in Weimar auch das Vertrauen in KI

Aus dem Publikum gab die Journalistin Dina Aboughazala zu bedenken, dass Sanktionen nicht immer die Mächtigen träfen. Im Falle Syriens würden sie das Leben der Bevölkerung extrem einschränken, während Diktator Baschar al-Assad weiterhin fest im Sattel sitze. Aboughazala warnte auch vor zu verhärteten Fronten im Ukrainekrieg. Irgendwann werde man wieder miteinander reden müssen.

Zudem sei es wichtig, zwischen Regierung und Be­woh­ne­r:in­nen eines Landes zu unterscheiden. Aboughazala stammt aus dem autoritär regierten Ägypten. Für einen Abbruch aller Beziehungen plädierte auch Ebert nicht. Das Goethe-Institut sei in Moskau weiter präsent. Man habe aber die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen eingestellt.

Von enttäuschtem Vertrauen handelt auch der in Weimar gezeigte Film „Der zweite Anschlag“. Darin erzählen Angehörige und Opfer rechtsextremer Attentate in Deutschland von den Nachwirkungen der Gewalttaten, etwa nach dem NSU-Mord an Süleyman Taşköprü 2001, als zunächst dessen Vater als Täter verdächtigt wurde. Regisseurin Mala Reinhardt legte den Fokus auf die Betroffenen. Po­li­ti­ke­r:in­nen tauchen nur auf, wenn man sie wie den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck auf einer Gedenkfeier zu den rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen sieht; einer Feier, zu der, wie man später erfährt, die angegriffene vietnamesische Community gar nicht eingeladen worden war.

Afrikas alte Herren

Von fehlendem Vertrauen in Afrika kann indes Kevin Mwachiro berichten. Der Autor und offen homosexuell lebende Kenianer beschreibt, wie in Afrika oft ein Graben zwischen Regierungsvorstehern und der Bevölkerung besteht. Mehr als 60 Prozent der Afri­ka­ne­r:in­nen seien unter 25 Jahre alt, sagt er. Trotzdem klammern sich in vielen afrikanischen Ländern ältere Herren an die Macht.

Mwachiro zählt auf: In Kamerun ist der 90-jährige Paul Biya seit fast 40 Jahren im Amt, Uganda wird seit 1986 von dem 78-jährigen Yoweri Museveni regiert. Und auch in Nigeria ist kürzlich mit Muhammadu Buhari ein 80-Jähriger wiedergewählt worden. Wie solle man über die Zukunft Afrikas reden, wenn man die Jugend nicht einbinde?

Auf dem Prüfstand steht bei dem Symposium in Weimar auch das Vertrauen in Technologie, vor allem in KI. Dabei gilt es weniger der Technik zu misstrauen als den Menschen dahinter, die die jeweilige Tech­nologie programmieren.

Oder wie es die britische Philosophin ­Onora O’Neill in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehsender SRF ausdrückte: „Man kann einer künstlichen ­Intelligenz vertrauen, wie man einem Herd vertraut. Die Er­fahrung zeigt, wie er funktioniert.“

KI und Fake News

KI, Social Media, Fake News: Die Tücken der Technik zeigten sich auch in der Performance von Magda Szpecht. Als eine „­Cyber Elf“ kämpft die polnische Regisseurin und Journalistin online gegen russische Propaganda. Warum vertrauenswürdige Medien (bei aller gesunden Skepsis) nötig sind, zeigt sich an einem russischen Video.Es stellt manipulativ dar, dass die Ukraine von Nazis bevölkert sei. Zu sehen sind Fotos unklarer Herkunft, die ukrainische Rechtsextreme zeigen sollen, mit Hakenkreuzen.

Selbst wenn einige der Bilder „echt“ sein sollten, wäre damit noch keine vertrauenswürdige mediale Einordnung gegeben. Und als Behauptung, hier einen Querschnitt der ukrainischen Bevölkerung zu sehen, dient es vor allem Agitation und Verleumdung. Die Arbeit der „Cyber Elves“, die Fotos mit Satellitenbildern und Geodaten auf ihre Echtheit prüfen, ist als Nor­mal­bür­ge­r:in kaum zu leisten.

Russland stecke enorme Ressourcen in Hacking und betreibe ganze „Trollfabriken“, sagt ­Szpecht. Dem stünden häufig nur einige Ak­ti­vis­t:in­nen gegenüber, die sich unentgeltlich engagierten. Wolle man Fake News und Cyberpropaganda ernsthaft eindämmen, bräuchte es bessere staatliche Strukturen in der EU. Wie diese konkret aussehen sollten, weiß Szpecht allerdings auch nicht so genau.

Für die aktuelle polnische Regierung, sagt sie, würde sie jedenfalls nicht arbeiten.

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