Nervige Boomboxen im Park: Alter, der Park gehört mir

Mit Bässen werden in den Parks Reviere abgesteckt. Und wehe, man fragt, ob sie runtergedreht werden könnten.

Menschen feiern in einem Park

An einem Sommertag im Berliner Volkspark Hasenheide Foto: Emmanuele Contini/imago

Buum-buum-buum-buum-buum – das ist der Sound. Er begleitet jetzt die, die in städtischen Parks unterwegs sind. Vor allem an Wochenenden, an schönen Tagen und Abenden. Kein Vogelgezwitscher, kein Nachtigallengesang, nicht das Summen von Insekten, nicht das Rauschen des Winds in den Bäumen und das Flirren der Luft. Es ist doch so, dass im Sommer die Luft zum Hören leicht ist. Oder war das nur früher? Damals, als es noch schön war, den Sommer zu hören? Heute dagegen ist es wichtig zu wissen, wie man nicht hört. Wie man das Autorauschen der Straßen ausblenden kann, wie den Lärm der Flugzeuge.

Vor allem während der Pandemie, als Clubs geschlossen waren, kam das Buum-buum in die Parks. Und blieb. Es ist, als hätten die Partymachenden die Natur neu entdeckt. Das jedoch täuscht. Denn es geht nicht um Natur, sondern nur um coole Locations. Dass es Landschaftsschutzgebiete sind oder Erholungsgebiete – egal.

Gegen das Buum-buum-buum im Park ist niemand gefeit. Denn die tiefen Töne dringen nicht nur in den Gehörgang, sie dringen auch in die Gedärme. Wie ein Schlag in den Bauch sind die Bässe, die die PartymacherInnen allen anderen im Park zumuten. Zack, zack, zack, schnelle Folge, schneller Beat. Ja, „Beat“ – die englische Sprache macht keinen Hehl daraus, worum es geht: to beat – schlagen, zuschlagen.

Hat irgendeiner von denen, die nun meinen, im Park die Bässe aufdrehen zu können, je im Physikunterricht aufgepasst? Hat er/sie je überlegt, warum Lichtwellen blockiert werden können, durch Mauern, durch Vorhänge oder die Hand vor den Augen? Und warum das mit Schallwellen nicht geht? Die Hand auf den Ohren hilft wenig.

Schallwellen sind wie Hammerschläge auf einen Nagel

Lichtwellen sind wie Meereswellen, sie brechen an Hindernissen. Schallwellen hingegen sind, und das ist jetzt sehr simpel gesagt, wie schwingende Hammerschläge auf einen Nagel. Das Material, das der Nagel durchdringen soll, bietet zwar Widerstand, aber der Nagel kommt durch.

Im Park hören die Hammerschläge des einen Buum-buum da auf, wo das nächste Buum-buum in einer anderen Ecke beginnt, denn Schall kann weit reisen. Tiefe Töne, die bildlich gesprochen weit ausholen, damit der Schlag auch richtig sitzt, können am weitesten reisen. Und was weit ausholt, das fährt auch tief in den Magen. Hersteller von Boomboxen oder Subwoofern bewerben ihre Produkte damit, dass sie körperliche Reaktionen hervorrufen. Tiefe Töne würden nicht nur auf die Ohren wirken, steht auf der Website eines Herstellers. „Ein wuchtiger Bass kann Brust und Bauch beben lassen. Die tiefen Töne gehen tatsächlich durch Mark und Bein.“

Was dort nicht steht: Mit den Bässen im Park werden Reviere abgesteckt. Wer meint, Parks beschallen zu dürfen, ist Parkbesetzer. Der Lautstärkepegel wird hochgedreht und – zack – ist das Terrain rund um sie für andere nur unter Schmerzen begehbar. Aber klar, SpaziergängerInnen haben keine Autolobby und keine Springerpresse, um gegen die Parkbesetzer zu wüten. Und die Polizei rufen? Ach.

Spießer, Spielverderber, alte Kuh, wenn die Musik leiser soll

Wer aber Feiernde selbst bittet, die Bässe rauszunehmen, kann sein blaues Wunder erleben: Spießer, Spielverderber, alte Kuh. „Leute, es sind doch nur die Bässe, die ihr rausnehmen sollt, damit der Schall sich nicht hunderte Meter weit überträgt“, sage ich. „Was will die?“, ruft einer. „Dass wir die Musik ausstellen.“ „Hey, Alte, sag mal geht’s noch? Es ist unser gutes Recht.“

Unser gutes Recht. Super Phrase. Stimmen tut es nicht. „Veranstaltungen in Parks in Berlin müssen von den Bezirksämtern genehmigt werden“, sagt die Dame von der Pressestelle der Umweltverwaltung. Sind Privatpartys Veranstaltungen? Und selbst wenn, bis die verboten sind, ist längst wieder Winter.

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Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art

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