Krabbenfischerei in der Nordsee: Netze streicheln Meeresboden bloß
Die Krabbenfischerei wirkt sich nach einer Untersuchung des Thünen-Instituts nur schwach auf die Umwelt aus. Umweltverbände kritisieren Methodik.
Hamburg taz | Das Thünen-Institut für Seefischerei hat die Ergebnisse einer Studie zur Krabbenfischerei im Wattenmeer vorgestellt: Demnach schädigt die Fischerei mit ihren Grundschleppnetzen den Lebensraum weniger stark als erwartet. Die Umweltschutzverbände WWF und Nabu kritisieren die Studie für methodische Schwächen. Angesichts der Debatte über ein EU-Verbot von Grundschleppnetzen warnen sie davor, die Zukunft der Krabbenfischerei an der Studie auszurichten.
Vier Jahre lang hat das Thünen-Institut am Projekt Cranimpact geforscht. Dabei wurde es von Forscher*innen der Universität Hamburg, der Technical University of Denmark und dem Alfred-Wegener-Institut sowie Krabbenfischer*innen unterstützt. Die EU sowie die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben das Projekt mit 1,4 Millionen Euro gefördert.
Die Krabbenfischerei steht seit Jahren wegen ihrer Fangmethode in der Kritik: Mit ihren Grundschleppnetzen schleift sie Scherbretter, sogenannte Baumkurren, auf Rollen über den Meeresboden und zerstört dabei diesen Lebensraum. Zudem gingen große Mengen an Beifang in die Netze – Fische und Meerestiere, die dort gar nicht landen sollten.
Laut dem Thünen-Institut ist diese Kritik jedoch zu pauschal: „Jeder Lebensraumtyp ist in seiner regionalen Ausprägung so einzigartig, dass für eine genaue Bewertung die spezielle Kombination aus Lebensraum, assoziiertem Ökosystem und Fanggerät untersucht werden muss“, so die Forschungseinrichtung über ihre Studie. Neben kurzfristigen Effekten der Baumkurren erforschte die Studie auch die chronischen Veränderungen, die durch anhaltenden Fischereidruck entstehen.
Schnelle Regeneration
Die Forscher*innen kommen zu dem Ergebnis, dass die Krabbenfischerei zwar einen Einfluss auf die Lebewesen am Meeresgrund hat – aber dieser geringer ist als der Einfluss, den die Zusammensetzung des Sediments hat. Diese Beobachtung gelte zumindest für die 90 Prozent des tieferen Wattbodens, die aus mittelgrobem und feinem Sand bestehen. Die Tier- und Pflanzenpopulation habe sich in der Regel innerhalb von maximal 20 Tagen von der Störung durch die Befischung erholt.
Zudem haben die Wissenschaftler*innen verschieden stark befischte Gebiete im deutschen Wattenmeer mit einem Gebiet im dänischen Wattenmeer verglichen, für das seit über 40 Jahren ein Fischereiverbot gilt: Dabei konnten sie zwar Unterschiede zwischen den Gebieten feststellen, für die die Fischerei jedoch nur zu knapp neun Prozent verantwortlich sein soll.
Der Umweltschutzorganisation WWF zufolge sind die Studienergebnisse nicht ausreichend, um den Einfluss der Krabbenfischerei auf den Meeresboden zu bewerten. „Es fehlt vor allem ein belastbarer Vergleich mit tatsächlich unbefischten, natürlichen Prielsystemen; die existieren in Deutschland auch längst nicht mehr, weil alles befischt wird“, sagt Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF Deutschland. Die Vergleichsdaten aus Dänemark stammten alle aus ein und demselben Priel. Die Ergebnisse seien deshalb statistisch nicht belastbar.
Auch der Naturschutzbund Nabu kritisiert die Studie in einer Mitteilung: „Der Einfluss auf bedrohte Arten und Lebensräume wurde methodisch kaum erfasst, stattdessen zumeist nur häufige Allerweltsarten betrachtet, die sich naturgemäß besser anpassen können.“
„Der Einfluss auf bedrohte Arten und Lebensräume wurde methodisch kaum erfasst“
Die Studie interveniert in die Debatte um Krabbenfischerei, die mit Erscheinen des „Aktionsplans zum Schutz und zur Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ der EU-Kommission Ende Februar entfacht wurde. Darin enthalten ist ein Komplettverbot von Grundschleppnetzen. Damit will die EU-Kommission den Anteil der geschützten EU-Meere bis 2030 von zwölf auf 30 Prozent erhöhen.
Der Verband der Kutter- und Küstenfischer hatte den EU-Aktionsplan kritisiert: „Für die Fischerei werden damit schlimmste Befürchtungen wahr. Für viele kleine handwerkliche Familienbetriebe in der Krabbenfischerei an der Nordseeküste würde dies das Aus bedeuten.“
Die Agrarminister*innen der Länder und des Bundes sagten der Fischerei zu, sich auf EU-Ebene für ihre Belange einzusetzen. Dazu sei die Thünen-Studie eine gute Grundlage: Sie werde helfen, „für einen fairen Interessenausgleich zwischen Schutzerfordernissen auf der einen und Nutzungsinteressen auf der anderen Seite zu sorgen“, sagte der schleswig-holsteinische Fischereiminister Werner Schwarz (CDU).
Leser*innenkommentare
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Gast
Es gibt durchaus Gründe, die Forschungsergebnisse des Thünen-Institutes für Seefischerei kritisch zu hinterfragen.
Beispiel: Die Dorsch- und Heringsbestände der Ostsee
Hier war das Thünen-Institut jahrzehntelang mit dem Monitoring der Bestände betraut. Es wurden zwar in den vergangenen Jahren Einschränkungen der Fangmengen empfohlen, diese waren aber offenbar nicht nachhaltig genug. Im vergangenen Jahr waren die Bestände dann "plötzlich" so kollabiert, das ein fast vollständiges Fangverbot für die Berufs- und Freizeitfischer ausgesprochen werden musste.
Ein vorausschauendes Monitoring hätte dies genau verhindern können und müssen.
Auch beim Klimawandel gab sich das Institut überrascht, das vor der mecklenburgischen Küste riesige sauerstoffreie Totzonen existierten, die gerade die bodenständigen Fische wie den Dorsch betrafen. Diese Überraschung erstaunt ebenfalls.
Die Dänen haben übrigens die Schleppnetzfischerei in der Ostsee wegen der verheerenden Beschädigung des Meeresbodens und seiner Bewohner verboten:
taz.de/Daenemark-w...rbot-aus/!5886369/
Das Thünen-Institut, das bisher keine gute Bilanz abliefern konnte, hält die Methode in der Nordsee für unbedenklich.
Nun ja ...