Warnstreik bei der Bahn angekündigt: Management gönnt sich Boni

Mit einem erneuten Ausstand eskaliert der Tarifstreit bei der Bahn. Scheitern die Gespräche erneut, ist auch ein unbefristeter Arbeitskampf denkbar.

Menschen in Warnwesten auf einem Bahnsteig

Die Mitglieder der Gewerkschaft EVG demonstrierten Ende März für höhere Löhne Foto: Christoph Hardt/imago

BERLIN taz | Der wichtigste Streitpunkt klingt banal. Die Deutsche Bahn bietet den über 2.000 Beschäftigten der untersten Lohngruppen den Mindestlohn tabellenwirksam an und obendrauf bis zu 10 Prozent, also zusammen 13,20 Euro pro Stunde. Das wäre schon ein Fortschritt. Denn bisher steht in der für prozentuale Anhebungen maßgeblichen Tabelle noch ein Lohn unterhalb der Mindestlinie, die nur durch eine Zulage erreicht wird. Damit sei die Hauptforderung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für den Beginn richtiger Verhandlungen erfüllt, so das Unternehmen. Das sieht EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch ganz anders.

„Das ist ein trojanisches Pferd“, sagt er und verweist auf eine kleine Einschränkung des Bahnangebots. Danach soll sich die Bezahlung der Sicherheits- oder Reinigungsleute am jeweiligen Branchentarif orientieren. „Hier würde eine Deckelung von maximal 13 Euro stattfinden“, wettert Loroch. Bahnvorstand Martin Seiler widerspricht und rechnet beim aktuellen Angebot einen Stundenlohn von 13,20 Euro aus. Würde sich die EVG mit ihrer Forderung von 650 Euro Mindestbetrag oder 12 Prozent mehr durchsetzen, kämen die Geringverdiener jedoch auf über 16 Euro. Deshalb der angekündigte Warnstreik.

Während unten um vergleichsweise geringe Beträge gerungen wird, zeigt sich die Bahn beim Management und bei außertariflich Beschäftigten großzügiger. Wie die Süddeutsche Zeitung und der NDR berichten, können sich Tausende Beschäftigte über teils fünfstellige Boni freuen. Möglich macht dies ein nicht ganz einleuchtendes System von Kennziffern, an denen sich die Sonderzahlungen orien­tie­ren.

Dem Bericht zufolge sorgen die schlechten Leistungen der Bahn hinsichtlich ihrer Pünktlichkeit und der Kundenzufriedenheit nicht für deutliche Abzüge. Das wird durch hohe Erfolgsquoten zum Beispiel bei der Mitarbeiterzufriedenheit oder dem Frauenanteil in Spitzenpositionen weitgehend ausgeglichen. Einen dreistelligen Millionenbetrag gibt die Bahn dafür aus. Das konnte sie ohne die Politik so gestalten. Zum Leidwesen der Verkehrspolitiker müssen diese Verträge nun auch bis zu deren Ablauf erfüllt werden.

Von Sonntag 22 Uhr bis Dienstag 24 Uhr

Weiter unten im Konzern wird um jeden Prozentpunkt mehr gerungen. Deshalb gibt es nun den dritten Warnstreik in dieser Tarifrunde. Bahnreisende müssen sich in der anstehenden Feiertagswoche auf Hindernisse einstellen. Von Sonntagabend, 22 Uhr, bis zum Dienstagabend, 24 Uhr, ruft die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) alle Beschäftigten flächendeckend zu einem Warnstreik auf.

Auch am Mittwoch vor dem Himmelfahrtstag könnten Nachwirkungen des Arbeitskampfs spürbar sein, etwa durch Verspätungen oder Zugausfälle. „Die Geduld unserer Beschäftigten ist zu Ende“, begründet EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay den 50-stündigen Ausstand. Sie rechne mit einer hohen Beteiligung am Arbeitskampf.

„Dieser irrsinnige Streik ist völlig grundlos und restlos überzogen“, kritisiert Seiler. Millionen Reisende kämen nicht da hin, wo sie hin wollten. Das käme einem Vollstreik ohne Urabstimmung gleich. Die Deutsche Bahn geht von massiven Einschränkungen im Schienenverkehr aus und kündigt Kulanzregelungen für die Fahrgäste an. Tickets für Fahrten zwischen dem 16. und 18. Mai können ab sofort genutzt werden. Auch gelten die üblichen Fahrgastrechte weiter, die bei Verspätungen eine Teilerstattung des Fahrpreises vorsehen.

Für die Deutsche Bahn wirds teuer

Es ist bereits der dritte und mit Abstand längste Ausstand in der laufenden Tarifrunde. Die Fronten zwischen Arbeitgebern und EVG sind überwiegend verhärtet. Insgesamt verhandelt die Gewerkschaft parallel Lohnerhöhungen mit 50 Bahnunternehmen. Nur wenige haben aus Sicht der EVG ausreichende Angebote für Verhandlungen vorgelegt. Dort soll auch nicht gestreikt werden. Zu diesen kleinen Bahnen gehört etwa die Eurobahn, die Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen betreibt. Allerdings dürften auch die Züge der nicht bestreikten Bahnen stillstehen, weil die Gewerkschaft das Netz lahmlegen will.

Teuer wird der Streik vor allem für die Deutsche Bahn als größtem Branchenunternehmen. Auch die Güterbahnen befürchten große Einbußen. Deren Verband fordert Vereinbarungen mit der EVG, die einen Betrieb des Güterverkehrs ermöglichen. Die Streikfolgen dürften europaweit spürbar sein, denn sechs von zehn europäischen Frachtkorridoren führen durch Deutschland.

Die Deutsche Bahn wirft der EVG vor, dass sie gar nicht ernsthaft verhandeln wolle. Vielmehr gehe es um die Durchsetzung eines Tarifdiktats im Machtkampf zwischen den Bahngewerkschaften. Hier kommt die Lokfüh­rergewerkschaft GDL ins Spiel. Sie will Anfang Juni ihre Forderungen bekannt geben. Der nächste Verhandlungstermin zwischen EVG und Bahn ist für den 23. Mai vorgesehen. Scheitern die Gespräche erneut, ist auch eine Urabstimmung über einen unbefristeten Arbeitskampf denkbar.

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