Syrien wieder Teil der Arabischen Liga: Ist der Krieg in Syrien vorbei?

Offene Kämpfe gibt es nur noch vereinzelt, doch eine Lösung des Konflikts liegt in weiter Ferne. Zentrale territoriale Fragen sind weiter ungeklärt.

Eine Werbetafel mit dem martialischen Bild von Bashar al-Assad mit Sonnenbrille in Uniform, hinter ihm bewaffnete soldaten und Raketen, die in den Himmel steigen

Syrien wird unter dem brutalen Machthaber Assad wieder in die Arabische Liga aufgenommen Foto: imago

BERLIN taz | Im Wortsinn, aber auch politisch hat Baschar al-Assad ihn überlebt: den Aufstand gegen sein Regime sowie den jahrelangen Krieg, der 2011 mit der Niederschlagung von Protesten seinen Anfang nahm. Die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga war zuletzt nur eine Frage der Zeit. Sie erfolgt vor dem Hintergrund, dass offene Kriegshandlungen weitgehend der Vergangenheit angehören – was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass das Land alles andere als versöhnt ist, dass territoriale Fragen ungeklärt bleiben und die Lebensbedingungen vor allem in Nordsyrien katastrophal sind.

Zwölf Jahre nach Beginn des Aufstands gegen Assad normalisieren die Araber ihre Beziehungen, ohne darauf zu drängen, dass die Führung in Damaskus für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird. Die Liste ist lang: In den syrischen Gefängnissen wurde und wird gefoltert, in vielen Fällen bis zum Tod. Von mehr als 100.000 Menschen, die seit 2011 Opfer von „erzwungenem Verschwinden“ geworden sind, fehlt weiterhin jede Spur. Die Mehrheit sei vom Regime verschleppt worden, was ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstelle, schreibt das Syrian Network for Human Rights.

Das Regime setzte zudem Fassbomben ein. Und noch vor wenigen Monaten berichtete Human Rights Watch, dass die syrisch-russische Militärallianz mit verbotener Streumunition vier Vertriebenenlager angriff. Laut UN-Menschenrechtsrat wurden in insgesamt 38 Fällen sogar Chemiewaffen eingesetzt, in 32 Fällen reichen die Beweise demnach, um sie dem Regime zuzuschreiben. An all diesen Verbrechen ändert nichts, dass sich auch etliche andere syrische und ausländische Akteure die Hände mit Blut befleckt haben.

Doch nicht nur das: Die Araber normalisieren ihre Beziehungen zum Assad-Regime, auch ohne bislang Auflagen für eine Konfliktlösung hin zu einem echten Frieden gemacht zu haben. Die Führung, die heute in Damaskus an der Macht ist, ist die gleiche wie jene, die schon vor 2011 mit Überwachung, Angst und Repression regierte und die ab 2011 dann den Krieg gegen die eigene Bevölkerung in einem nie dagewesenen Maße eskalierte. Nicht nur ist weiterhin Assad als Präsident an der Macht, auch nennenswerte Reformen etwa des Justiz- oder Geheimdienstapparats sind ausgeblieben.

Seit mehreren Jahren herrschen Assad und seine Leute bereits wieder über rund zwei Drittel Syriens, nachdem das Regime – ab 2015 maßgeblich unterstützt durch die russische Luftwaffe – das Land nach und nach zurückeroberte. Die Re­gime­gebiete sind heute „gesäubert“ von Kräften, die sich mit der Unrechtsherrschaft nicht abfinden wollen.

Die Opposition befindet sich entweder unter den eine halbe Million Toten oder unter den mehr als 7 Millionen Syrer*innen, die ins Ausland vertrieben wurden. Die restlichen Aufständischen haben sich in Syriens Norden gesammelt, den Assad nicht zurückerobern konnte.

Dort bleiben grundlegende Territorialfragen völlig ungeklärt und mit der Zeit verfestigen sich politische und militärische Strukturen, welche die Region auf Dauer prägen werden. Im Nordosten herrschen kurdisch-syrische Kräfte, im Nordwesten übt die Türkei über arabisch-sunnitische Milizen Kontrolle aus. In der Provinz Idlib hat die islamistische Tahrir-al-Scham-Miliz (HTS) das Sagen. Die nicht vom Regime beherrschten Gegenden werfen schwierige politische und völkerrechtliche Fragen auf, gleichzeitig ermöglichen sie Millionen von Menschen ein Leben, ohne den Damaszener Staatsterror fürchten zu müssen.

Fast 3 Millionen Binnenvertriebene

Allein in den Nicht-Regime-Gebieten im Nordwesten leben laut UNO rund 4 Millionen Menschen, davon fast 3 Millionen Binnenvertriebene, von denen ein Großteil in Lagern lebt. Rund 80 Prozent in den Lagern sind Frauen und Kinder. Während sich die Kurden im Nordosten eine Art autonome Region aufgebaut haben und mittelfristig auch eine Verständigung mit dem Assad-Regime denkbar ist, ist der Konflikt im Nordwesten eingefroren.

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