Indymedia-Linksunten von Redakteur verlinkt: Erst Hyperlink, dann Anklage

Ein Redakteur von Radio Dreyeckland hatte zur verbotenen linken Plattform Indymedia-Linksunten verlinkt. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt Anklage erhoben.

Ein "On Air" Schild leuchtet auf

Radio Dreyeckland sendet trotz der Repression weiter Foto: Patrick Seeger/dpa/picture alliance

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe erhebt Anklage gegen Fabian Kienert wegen Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Vorgeworfen wird dem langjährigen Redakteur des Freiburger Senders Radio Dreyeckland ein Link zum Archiv der 2017 vom Bundesinnenministerium verbotenen linken Internetplattform Indymedia-Linksunten. Den setzte Kienert im Juli 2022 auf der Homepage des Senders über eine kurze Meldung, in der er über die Einstellung des Strafverfahrens gegen die angeblichen Be­trei­be­r*in­nen der linken Plattform informierte. Am Ende des kurzen Textes heißt es: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archiv“, dazu verlinkte er die Seite.

Bereits Mitte Januar gab es deswegen Hausdurchsuchungen in den Räumen des Senders und in den Privatwohnungen von Kienert und dem Geschäftsführer von Radio Dreyeckland Andreas Reimann (taz berichtete). Während die Ermittlungen gegen Reimann inzwischen eingestellt wurden, bekam Kienert die Anklageschrift zugestellt. Er sieht darin eine Einschränkung kritischer Berichterstattung und kritisiert auch das Verbot von Indymedia-Linksunten.

„Nachdem ein Medium auf dem Umweg des Vereinsrechts verboten wurde und die Staatsanwaltschaft Karlsruhe in der Folge ein Verfahren wegen vermeintlicher Bildung einer kriminellen Vereinigung eröffnet hat, will sie nun auch noch mit dem Mittel des Strafrechts bestimmen, wie über dieses Verfahren zu berichten ist – das ist ein skandalöser Eingriff in die Pressefreiheit“, moniert Kienert.

Verbot nach G20

Die deutschen Sicherheitsbehörden hatten die Plattform Indymedia-Linksunten als „einflussreichstes Medium der linksextremistischen Szene in Deutschland und ein Forum für gewaltbereite Autonome“ klassifiziert. 2017 ließ der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) die Plattform nach den teilweise militanten Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg verbieten. Im März 2023 wurden die Klagen gegen die Abschaltung der Seite von fünf Freiburger*innen, die die Justiz als Be­trei­be­r*in­nen von Indymedia-Linksunten bezeichnete, zurückgewiesen. Damit bleibt die Plattform offline. Selbst die Verlinkung des Archivs hat juristische Folgen. „Erst wird das Vereinsrecht missbraucht, um ein Medium zu verbieten. Jetzt wird die Kritik daran kriminalisiert“, sagt der Rechtsanwalt David Werdermann.

Diese Kritik bekräftigt Fabian Kienert, nachdem er die Anklageschrift gelesen hat. Die Staatsanwaltschaft vertrete darin die Auffassung, dass es für eine Beurteilung einer möglichen Strafbarkeit auf den redaktionellen und journalistischen Zusammenhang der Veröffentlichung ankomme.

„Die Anklage richtet sich gegen Radio Dreyeckland als missliebiges Medium, das Polizeimeldungen nicht ungeprüft wiedergibt und als einzige Quelle verwendet“, schlussfolgert Kienert. „Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft uns Einseitigkeit vor. Wie viel Sendezeit müssen wir denn dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft zukünftig einräumen, damit ein Beitrag durch die Zensur kommt?“, fragt der angeklagte Redakteur. Er und seine Kol­le­g*in­nen fordern nun, dass das Landgericht Karlsruhe die Eröffnung des Verfahrens ablehnt und auch die Durchsuchungen nachträglich für nicht rechtmäßig erklärt. Das Redaktionskollektiv formuliert darüberhinaus auch eine politische Reaktion.

„Die Staatsanwaltschaft will per Strafrecht ihre anti-linke Agenda durchsetzen. Der fortgesetzte Versuch, in die Berichterstattung einzugreifen, kann politisch nur eine Konsequenz haben, nämlich die Auflösung der Staatsschutzabteilung der Karlsruher Staatsanwaltschaft.“

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