Prüfung der Gesinnung

Die Starterlaubnis für russische Judoka bei der Weltmeisterschaft in Katar sorgt für sportpolitische Spannungen, obwohl bereits einige Judofunktionäre aussortiert worden sind

Oben auf: WM-Starterin Sabina Giliazowa im Kampf gegen ihre russische Landsfrau Irena Kubulowa Foto: imago/SNA

Von Markus Völker

„Everything will be okay! If it is not okay, it's not the end!“, hat Teodor Pop als Sinnspruch über sein LinkedIn-Profil im Internet geschrieben. Der Sportfunktionär aus dem bayerischen Wasserburg scheint einen pragmatischen Blick auf das Leben zu haben. Derzeit ist Pop in Doha unterwegs, „im Ausland“, wie er sagt. In Katar findet wieder einmal ein Sportevent statt, ab Sonntag die Weltmeisterschaft im Judo. In der Ali Bin Hamad Al Attiya Arena treten Kampfsportler aus aller Welt an, so auch aus Russland. Und das treibt nicht nur Teodor Pop um, der seit 2015 für den Judo-Weltverband arbeitet – als „Safeguarding Officer“ und Event Manager.

Pop spricht mit osteuropäischem Akzent, denn er stammt aus Rumänien und hat in Brasov in den Karpaten Pädagogik und Sport studiert. „Sport sollte getrennt von Politik, Ethnie und Religion stattfinden können“, sagt er. „Das steht auch irgendwie so in der IOC-Charta.“ Dass wohl zwanzig russische Mattenkämpfer in Doha an den Start gehen, findet er offensichtlich okay, denn der Weltverband habe es sich mit der Zulassung der Russen nicht leicht gemacht. Eine unabhängige Agentur, beauftragt vom ungarischen Generaldirektor Vlad Marinescu, habe russische Athleten samt Entourage nach den Kriterien des Internationalen Olympischen Komitees auf ihre Einstellung zum Krieg in der Ukraine untersucht, einen Konflikt, den der Aggressor Russland euphemistisch als Spezialoperation bezeichnet.

Die Athleten, auch die aus Weißrussland, hätten eine „Neutralitätserklärung“ einreichen müssen, und alle hätten bestanden. Allerdings seien „acht Personen“ aussortiert worden, laut Pop keine Sportler, sondern Russen aus dem Begleit­tross. „Da wurden in den Medien falsche Informationen verbreitet“, sagt er. Es war wohl anfangs nicht ganz klar, ob nun Mitglieder der Delegation oder Judoka betroffen sind. Nach Lage der Dinge darf aber die federleichte Sabina Giliazowa ebenso auf die Matte wie ihr schwerer Kollege Inal Tasojew. Sie starten unter neutraler Flagge und dürfen auch nicht bei Teamwettkämpfen mitmachen. „Das ist zu respektieren“, sagt Pop, trifft aber vor allem bei der ukrainischen Delegation auf Unverständnis. Da ist die Empörung groß.

Die ukrainische Judo-Mannschaft hat ihren Rückzug von den Titelkämpfen verkündet. Viele russische Judoka würden dem Militär des Landes angehören und seien daher keinesfalls neutral. „Wir sind sehr enttäuscht über die Entscheidung und werden nicht an der WM teilnehmen“, hieß es in einer Stellungnahme. Von russischer Seite gab es zunächst keine Reaktion auf den Ausschluss von acht Delegationsmitgliedern. Sportminister Oleg Matyzin hatte die Zulassung russischer Sportler unter neutraler Flagge zuvor als „Diskriminierung“ bezeichnet.

„Eine unglaubliche Vernachlässigung der Olympischen Charta“

Vadym Guttsait, ukrainischer Sportminister

Der ukrainische Sportminister und Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine, Vadym Guttsait, sagte, er unterstütze die Entscheidung des ukrainischen Judo-Verbandes, sich von der Veranstaltung zurückzuziehen, bei der, wie er findet, „russische Athleten blind zugelassen wurden“. Für Judokas sehe die Neutralität auf Russisch so aus: Wenn sie nicht Teil der Streitkräfte seien, dann eben der Sicherheitsorgane der Russischen Föderation, ätzte Guttsait laut einem Bericht der ukrainischen Zeitung Tribuna.

Guttsait hat überdies einen Brief an James Macleod vom Internationalen Olympischen Komitee geschrieben. Darin beschuldigt er den Internationalen Judo-Verband, gegen die Empfehlungen des IOC zur Teilnahme von Militärpersonal an Weltmeisterschaften verstoßen zu haben. „Leider sehen wir hier ein Beispiel einer unglaublichen Vernachlässigung der Olympischen Charta“, zürnte Guttsait. Auch andere Nationen wie etwa Tschechien äußerten ihr Unverständnis. Der Zwist wird weitergehen, mindestens bis zu den Olympischen Spielen von Paris. Dort betreten die Judoka, inzwischen nur noch Nischenakteure, wieder eine Weltbühne.