Einfach mal stehen bleiben

Die 31. Hamburger Ballett-Tage eröffnen mit Uraufführungen junger Choreographen

von Marga Wolff

Es sei jetzt an der Zeit, über die Weiterführung einer Institution nachzudenken, die nach 30 Jahren so stark an eine Persönlichkeit gebunden sei wie das Hamburg Ballett, hatte John Neumeier im vergangenen Oktober bei der Unterzeichnung seiner Vertragsverlängerung verlauten lassen. „Schritte in die Zukunft“ präsentiert zum Auftakt der 31. Hamburger Ballett-Tage am Sonntag an der Staatsoper deshalb nicht einen weiteren Neumeier sondern eine junge Generation von Choreographen.

Drei Uraufführungen stehen auf dem Programm: Neben Hamburgs Tanzstars Yukichi Hattori und Jiri Bubenicek, die seit ein paar Jahren auch als Choreographen auf sich aufmerksam machen, ist Deutschlands Shootingstar Marco Goecke eingeladen, mit dem Hamburger Ensemble ein neues Stück zu schaffen. Zudem wird der Engländer Christopher Wheeldon sein 2001 für das New York City Ballet erarbeitetes Ballett Polyphonia mit Neumeiers Compagnie einstudieren.

Einen vielfältigen Abend darf man also erwarten, der sich stilistisch von Wheeldons glamouröser Neoklassik bis zu Goeckes düsteren, rohen Stimmungsbildern erstreckt. Der klassischen Technik fühlen sich beide verpflichtet. Doch Goecke nimmt sie gern auseinander, knetet sie durch, bis der Funke überspringt. „Ich will den Tanz ernst nehmen und damit auch kritische und schlimme Dinge sagen“, gibt er zu verstehen.

Zu seiner Choreographie Beautiful Freak, die er mit zwölf Tänzern in Hamburg erarbeitet hat, inspirierte ihn die Musik von Chet Baker – und auch das bewegte Leben des Jazz-Sängers hat es ihm angetan. Goecke hatte 2003 in Hamburg den Wettbewerb Dom Pérignon für Blushing gewonnen. Einen Nachwuchspreis, der nach dreimaliger Verleihung schon wieder abgeschafft ist, nachdem der französische Champagnerhersteller vor einem Jahr die Kooperation mit dem Hamburg Ballett aufkündigte.

Ziel war gewesen, Arbeiten für große Bühnen anzuregen. Und die Saat scheint aufzugehen: Man wagt sich wieder an große Gruppenchoreographien. Yukichi Hattori, der sich bisher auf Solo-Choreographien beschränkte, bringt in Wege 70 Tänzer auf die Bühne. „Ich wollte den Kosmos des Hamburg Balletts um mich spüren, das seit über zehn Jahren mein Zuhause in Deutschland ist, und keine Menschen von außen für diese Inszenierung einsetzen“, erläutert der gebürtige Japaner, der mit 13 Jahren an die Ballettschule kam und heute Solist im Hamburg Ballett ist. Urbanität und den Gegensatz von Individuum und Masse will er im Tanz widerspiegeln. „Es wird auch Menschen darin geben, die einfach stehen bleiben“, sagt er. „Auch das muss man akzeptieren.“

Seinem Kollegen Jiri Bubenicek geht es dagegen ganz um Originalität und Echtheit. Eine Kostümbildnerin der Pariser Oper entwirft die Ausstattung, Zwillingsbruder Otto Bubenicek komponierte eigens zum Stück die Musik: Unerreichbare Orte handelt von der Liebe. „Es geht einzig um den Ausdruck von Emotionen“, sagt Hamburgs Erster Solistenstar. Der Titel meine vor allem innere (Herzens-) Räume. „Es ist die erste professionelle Premiere“, bestätigt Bubenicek. Die Aufmerksamkeit dürfte sich diesmal jedoch vor allem auf Marco Goecke richten, der seit seinen Erfolgen mit dem Stuttgarter Ballett als vielversprechendes und ebenso umstrittenes Talent gilt.

Eröffnung der Ballett-Tage mit „Schritte in die Zukunft“: So, 19.6., 18 Uhr, Hamburgische Staatsoper