NSU-Terror in Hamburg: Kompromiss macht Grüne unfroh

Mit Verrenkungen vermeiden die Hamburger Grünen einen NSU-Ausschuss. Eine Abgeordnete kann das nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren.

Das Geschäft in Hamburg-Bahrenfeld, in dem Süleyman Tasköprü vom NSU erschossen wurde, mit einem Gedenkstein davor

In diesem Laden wurde Süleyman Tasköprü erschossen. Davor steht heute ein Gedenkstein Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Die Ankündigung der rot-grünen Koalition in Hamburg, keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zu der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) einzusetzen, stößt auch innerhalb der Grünen auf Kritik. Ein Kompromiss, auf den sich die Koalitionäre mühsam verständigt haben, wird nicht von allen Abgeordneten getragen.

Der Kompromiss sieht eine „wissenschaftliche und interdisziplinäre Aufarbeitung“ des NSU-Komplexes an der Elbe vor, die von einem „interfraktionellen Beirat der Bürgerschaft“ begleitet werden soll. „Diese Studie ist ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung rechter Netzwerke“, sagt die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block. Sie sei allerdings „kein Ersatz für einen PUA“.

Einen Antrag der Linken zu der Bürgerschaftssitzung am gestrigen Donnerstag, einen Untersuchungsausschuss wegen des NSU-Mordes an Süleyman Taşköprü 2001 einzusetzen, wollte Block daher „aus Gewissensgründen“ nicht ablehnen.

„Die Entscheidung, zu der ich gekommen bin, war kein einfacher Prozess“, sagt Block. Auch deshalb zolle sie denen in ihrer Fraktion, die sich anders entscheiden würden, Respekt. Aus ihrer Sicht wäre jedoch ein PUA das Mittel zur „ernsthaften Aufklärung“ und deswegen notwendig. Und sie weist darauf hin, dass die Landesmitgliederversammlung der Grünen für einen Ausschuss gestimmt habe.

Hoheitliche Werkzeuge gefordert

Auch die Grüne Jugend betont die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses. „Die wissenschaftliche Aufarbeitung rechter Netzwerke und des NSU-Komplexes wird nicht ausreichen“, sagt Berkay Gür, Landessprecher der Grünen Jugend. Ein Untersuchungsausschuss hätte die notwendigen hoheitlichen Mittel, Befugnisse und Beweiserhebungsrechte.

Fehlentwicklungen in den Ermittlungen und Missstände in den Sicherheitsbehörden ließen sich nur durch Akteneinsicht und das Vorladen von Zeugen klären. Die SPD weigere sich jedoch weiterhin, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. „Parteiinteressen müssen jetzt hinten angestellt werden“, findet die Landessprecherin der Grünen Jugend, Nergis Zarifi.

Mit der Ablehnung des Antrags der Linken unterlaufen die Grünen nicht nur ihre Beschlusslage – sie enttäuschen auch die Angehörigen von Taşköprü. 2022 sagte der Neffe des dritten NSU-Opfers, Okan Taşköprü: „Vor allem wünschen wir uns als Familie Taşköprü einen Untersuchungsausschuss in Hamburg. Die Aufklärung ist der einzige Weg, mit den Schmerzen abschließen zu können.“

Die Behauptung des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Sören Schumacher, „bei all diesen Untersuchungsausschüssen ist nichts herausgekommen“, kontert Maximilian Pichl, Vertretungsprofessor für Politische Theorie an der Universität Kassel. „Durch die parlamentarische Aufarbeitung konnten bundesweite Querverbindungen zwischen den rechten Szenen sichtbar gemacht werden. Hamburg fehlt“, twitterte er.

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