Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Größter Lohnverlust seit 14 Jahren

Die Reallöhne der Beschäftigten sind 2022 um durchschnittlich 4 Prozent gesunken. Die Lohnsteigerungen machten die Inflation nicht wett.

Eine Frau trägt ihre Einkaufstaschen in einer Fussgängerzone, Detailaufnahme

Einkaufen? Das wurde im vergangenen Jahr merkbar teurer Foto: Michael Gstettenbauer/imago

BERLIN taz | Viele Ar­beit­neh­me­r:in­nen haben im vergangenen Jahr Kaufkraft eingebüßt. Die Reallöhne sanken 2022 um durchschnittlich 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, berichtete das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag. Das war der stärkste Lohnverlust seit 2008. Trotz vergleichsweise hoher Gehaltsforderungen und etlicher Streiks ist es den Gewerkschaften bisher nicht gelungen, den Preisanstieg zu kompensieren.

2022 betrug die Inflationsrate 6,9 Prozent. Die Löhne wuchsen dagegen nur um knapp 3 Prozent. Die Differenz machte den Verlust der Beschäftigten von 4 Prozent aus. Diese Tendenz war freilich schon früher zu sehen, nun kommt aber noch eine Revision des Berechnungsverfahrens bei Destatis hinzu. Deshalb fällt das Minus für die ­Ar­beit­neh­me­r:in­nen jetzt etwas höher aus als bisher berichtet. Eine Ursache liegt darin, dass im neuen Verfahren nun beispielsweise auch die Lohnzahlungen in sehr kleinen Betrieben und die Verdienste aus ­Altersteilzeit einbezogen werden.

In diesem Jahr könnte das Bild jedoch etwas freundlicher ausfallen. Die Inflation geht mittlerweile zurück. Die Bundesregierung rechnet mit 5,9 Prozent 2023 und 2,7 Prozent 2024. Währenddessen haben die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund gerade eine Gehaltssteigerung von durchschnittlich 11 Prozent im öffentlichen Dienst durchgesetzt.

Der Bahngewerk­schaft EVG reicht ein Angebot der Bahn AG über 8 bis 10 Prozent Lohnsteigerung nicht aus, weshalb sie mit weiteren Streiks droht. So ist es nicht auszuschließen, dass die jetzt verhandelten Verdienstzuwächse die Inflationsraten der kommenden Jahre übersteigen, wodurch viele Beschäftigten ihre Verluste teilweise wettmachen könnten.

Dabei ist der Reallohnverlust 2022 ein Durchschnittswert, von dem nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betroffen sind. So geben Wohlhabende und Reiche einen kleineren Teil ihrer Einkommen für den notwendigen Konsum aus als Menschen mit niedrigen Verdiensten.

Die starken Preisanstiege für bestimmte Lebensmittel, Heiz­energie und Benzin schlagen bei Niedrigverdienern mehr zu Buche, ebenso beispielsweise bei Pendler:innen, die alte Autos fahren. Umgekehrt können Leute, die Einnahmen aus Kapital, etwa Immobilien, generieren, besser davonkommen als Erwerbstätige, die ausschließlich auf ihren Lohn angewiesen sind.

Und wo geht das Geld hin, das die Ar­beit­neh­me­r:in­nen für höhere Preise ausgeben mussten? Zum guten Teil an die Unternehmen und deren Eigentümer:innen. Handelt es sich also um ungerechte Umverteilung? Oft nicht, denn die Firmen mussten ja auch höhere Preise für den Einkauf ihrer Produkte oder Vorprodukte entrichten.

In manchen Fällen allerdings dürfte es doch zu einer Verschiebung zwischen hiesigen Arbeits- und Unternehmenseinkommen anlässlich der Inflation gekommen sein. „Mehr als ein Drittel des jüngsten Anstiegs der Lebensmittelpreise“ in Deutschland könne nicht mit den traditionellen Treibern wie den Rohstoffkosten oder der Entwicklung der Energiepreise erklärt werden, berichtete der Inflationsexperte des Kreditversicherers Allianz Trade, Andy Jobst, in einer kürzlich veröffentlichte Studie. „Es scheint zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen zu geben.“

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