KIRSTEN FUCHS über KLEIDER
: Das Hanni-Nanni-Ponyhof-Gespann

Meine beste Freundin und ich: ein Traum in Rosarot – na bitte, ein bisschen Kitsch muss sein, wenn es um Liebe geht

Ich bin mit Anja schon lange befreundet, lange, gut und dufte. So gut und dufte, dass wir dieses Jahr gemeinsam in Urlaub gefahren sind, nach Krakau, nicht lange, aber es war gut und dufte.

Genau, wir sind diese zwei Freundinnen, die in allen Frauenromanen das Erfolgsteam bilden (Männer kommen und gehen, aber Freundinnen bleiben beieinander sitzen), die schnattern, telefonieren, shoppen gehen. Das Einzige, was wir nicht machen, um das Beste-Freundinnen-Klischee mit rosaroten Blüten zu verzieren, ist, Klamotten zu tauschen! Von der Größe her ginge es schon, dann schlabberte es bei mir eben etwas, und bei ihr säße es strammer, aber wir mögen einfach verschiedene Stoffe, Muster, Schnitte, eigentlich alles. Und das ist ja auch gut so, wir sind ja kein Hanni-Nanni-Ponyhof-Gespann. Wir ziehen beide unseren eigenen Wagen, und manchmal traben wir in dieselbe Richtung, aber genug mit der schlechten Metapher.

Ich versuch’s mal mit einer anderen schlechten Metapher: Wir wohnen zusammen in einem Traumschloss, dem Traumschloss Freundschaft, na bitte, ein bisschen Kitsch muss schon sein, wenn es um Liebe geht: Das Schloss haben wir zusammen gebaut, Stein für Stein, Brief für Brief (Anja wohnt seit drei Jahren weit weg), Telefonat für Telefonat, Geschenk für Geschenk und Besuch für Besuch. In diesem Schloss sind wir ein Leben lang geschützt, da rüttelt doch kein Klamottengeschmack dran. Trotzdem ergeben sich immer wieder Situationen, die mit sozialer Feinmechanik angegangen werden müssen, mit Uhrmacherwerkzeug, klitzekleinen Zangen und klitzeklitzekleinen Schräubchen … mal ein Beispiel: Für unsere Krakaureise haben wir uns beide neue Jacken gekauft. Meine ist ein Einzelstück aus einem tollen Laden, in den ich mich erst gar nicht reintraute, weil der diese hippe Schaufensterdekoration hatte. Die Jacke hat seltsam spacige Taschen, und ich sehe darin überhaubt aus wie eine Rakete. Anja findet die Jacke sofort nicht gut, irgendwie langweilig. „Aber guck mal“, sagt sie, „meine neue Jacke!“

Da bleibt mir die Spucke weg. Was sollte ich denn dazu sagen? Das ist nicht nur irgendwie langweilig, das ist völlig … egal eigentlich! Also sage ich: „Soso!“ Mir ist doch völlig wurscht, welche Jacke Anja im Urlaub trägt, Hauptsache, der Urlaub wird schön. War er! (Es gibt nur zwei Sorten Menschen: Die einen waren noch nicht in Krakau, und die anderen sagen, Krakau sei sooo schön. Ich gehörte erst zu der einen Sorte und nach dem Urlaub zu der anderen, leicht zu erraten, wie rum.)

Wir haben in Krakau alles angekuckt, aufgegessen und getrunken, was uns unterkam, und dann hatten wir immer noch einen Tag und viele Złotis übrig: also shoppen. In jedem Laden dasselbe: Zielstrebig griffen wir nach anderen Kleidern. „Guck mal!“, zeigte die eine der anderen ihre Entdeckung, und die andere nickte nur. Konnte heißen „Aha!“ oder: „Ja, sieht aus, als könnte es dir gefallen, mir gefällt es jedenfalls nicht.“

„Und wie findest du das?“ Anja hielt mir ein Hemd hin, das in Polen Bluzka heißt. „Schön!“, sagte ich. „Dann zieh mal an!“, daraufhin sie und ich: „Ich dachte, für dich. Ich meinte die andere Art von schön, für dich schön.“ Anja lachte: „Ich dachte, für dich. Mir gefällt die nicht.“ Wir haben Unmengen an Kleidern anprobiert. „Soll ich das kaufen?“, fragte ich Anja am Ende des Tages zum x-ten Mal. „Nein, du hast heute genug schöne Kleider gekauft!“ Was ist das denn für ein Argument unter Frauen? Ich zog das Kleid wieder aus. Anja sagte, ich würde mich wie ein Kerl ausziehen. „Wie ziehn sich denn Frauen aus?“, wollte ich wissen und beobachtete, wie Anja sich aus dem T-Shirt schälte. „Aha, Frauen ziehen sich also ungeschickter aus.“ Watt ham wir gelacht.

Seltsamerweise haben wir sehr ähnliche Brillen. Wir haben sie auf dem Rückflug mal getauscht, aber dabei nicht viel gesehen. So ist das eben, man kann nicht durch fremde Augen sehen, aber sich zu verstehen bedeutet ja nicht, dass man alles versteht. Schon gar nicht, wenn die Telefonleitung nach Syrien mal wieder so schlecht ist.

Fragen zur Freundin? kolumne@taz.de Morgen: Robin Alexander SCHICKSAL