Grüne Energie: Volle Solarkraft voraus

Bei Photovoltaik denken wir an blauschimmernde Solarpanele auf Dächern, dabei geht auf dem Solarmarkt mehr. Vier revolutionäre Technologien.

Eine Frau hält in einer Fabrik eine Solarfolie hoch

Solarfolie: superdünn, ultraleicht und biegsam Foto: Matthias Rietschel

In den 2000er Jahren war jedes vierte Solarmodul weltweit „made in Germany“. Dann wurden unter Angela Merkel die Förderungen massiv gekürzt und der deutsche Anteil fiel unter die Einprozentmarke. Jetzt gibt es wieder Hoffnung, denn neue Technologien könnten den Solarmarkt revolutionieren.

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Die Solarfolie

Die Zukunft wird in einem grauen Produktionsgebäude gemacht. In Dresden-Mickten fertigt die Firma Heliatek organische Solarzellen. Es gibt auf der Welt zu wenig Metalle wie Aluminium, um das solare Zeitalter durchzusetzen, deshalb müssen andere Materialien her, die Sonnenenergie in Strom umwandeln. „Wir nutzen spezielle Kohlenstoffverbindungen, die wir auf Folien aufdampfen“, erklärt Stephan Kube, Marketingchef des Unternehmens. „Organisch“ werden die Zellen genannt, weil sie auf Prinzipien der organischen Chemie beruhen. Streng genommen produziert Heliatek auch gar keine Solarzellen sondern Solarfolien: superdünn, biegsam und ultraleicht.

Für die Solarbranche sind diese neuen Eigenschaften nicht nur spektakulär, sondern auch materialsparend: „Im Vergleich zu den herkömmlichen Solarzellen sind die organischen tausendmal dünner“, sagt Birger Zimmermann vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Die klassischen blauen Zellen, aus denen die rund 2,7 Millionen Photovoltaikanlagen in Deutschland bestehen, sind in der Regel aus Silizium. Und sie kommen heute aus China, eine Abhängigkeit, die niemand mehr so recht haben möchte. Die neuen Solarfolien kommen ohne Silizium, Aluminium, Blei und andere Schwermetalle aus, Rohstoffe, die irgendwo auf der Welt abgebaut werden müssen, oft unter fragwürdigen Bedingungen. „Die Farbe variiert je nach den eingesetzten Kohlenstoffverbindungen“, sagt Stephan Kube. Aktuell schimmern die Folien aus Dresden violett.

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Zwölf Jahre lang hat das sächsische Unternehmen an der neuen Technologie geforscht – jetzt steht eine Produktionsstrecke in dem Micktener Gebäude, die zwei Millionen Quadratmeter im Jahr herstellen kann – eine Fläche, mit der 280 Fußballfelder bedeckt werden könnten. „Noch aber geht es bei uns nicht um Masse, sondern um die Produktoptimierung“, sagt Kube. Mit 60 bis 65 Watt pro Quadratmeter ist die Stromausbeute derzeit noch wesentlich geringer als bei den Siliziumzellen, „das entspricht einem Wirkungsgrad von um die neun Prozent“. Moderne Siliziumzellen bringen es derzeit noch auf mehr als doppelt so viel.

Ein großer Vorteil der Folie: Während normale Solarmodule als feste Glasplatten auf Häuser- und Firmendächern angebracht werden müssen, lässt sich die Solarfolie einfach ankleben, auf ihrer Rückseite ist ein Klebstoff angebracht. Das macht sie sehr vielseitig einsetzbar. In Spanien hat Heliatek den Turm eines Windrades beklebt, in Frankreich das Leichtbaudach einer Mittelschule, in Donauwörth die Fassade eines Getreidesilos, in Berlin die Waben einer Traglufthalle. Das Standardformat der organischen Zelle liegt bei zwei Metern Länge und 43 Zentimetern Breite und das Ankleben sei so leicht, dass es jeder könne, behauptet Stephan Kube.

Am Anfang der Produktionsstrecke steht eine Lasermaschine, groß wie ein Schiffscontainer, in die zwei Kilometer lange Kunststofffolien eingespannt werden. „Wir lasern damit die Zellstruktur auf – drei Nanometer dünn“, erklärt der Marketingchef. Danach geht die Folie in eine Verdampfungsmaschine, die so groß wie ein Mehrfamilienhaus ist. Hier werden drei verschiedene Absorberschichten aufgetragen, um unterschiedliche Wellenlängen des Sonnenlichts in Strom umzuwandeln – das Herzstück der Produktion. Der nächste Schritt ist die „Verkapselung“: Eine Maschine verschließt die bedampften Zellen luftdicht, damit die Solarfolie Wind und Regen trotzen kann. Heliatek strebt 20 Jahre Garantie an, so wie es auch bei den Siliziumzellen üblich ist. Dann werden die verkapselten langen Solarfolien auf zwei Meter zugeschnitten und der Rückseitenkleber und die Anschlussdose angebracht.

Die Solarfolie wird in Dresden in einer Fabrik produziert

Auf der Rückseite klebt die Solarfolie Foto: Matthias Rietschel

Maschinen, mit denen sich solche hochspezialisierten Prozesse ausführen lassen, gibt es nicht von der Stange zu kaufen. Jeder einzelne Abschnitt sei speziell für die Dresdner Produktion entwickelt und gebaut worden, erklärt Kube. An diesem Tag ist die Verdampfungsmaschine außer Betrieb, ein Team von Wissenschaftlern und Konstrukteuren tüftelt daran, wie ein spezielles Bauteil verbessert werden kann. „Der Fortschritt ist nicht planbar, wir müssen vieles ausprobieren und oft auch wieder verwerfen“. Aber er ist in vollem Gange, mittlerweile arbeiten 270 Leute bei Heliatek, „und wir suchen weiter Fachkräfte, die uns helfen“, so Kube.

Die neuen Solarzellen im Folien­format sind nicht nur sparsam, sie sind auch extrem vielseitig in der Anwendung. Die Materialkonstruktion der neuen Zellen ermöglicht es zum Beispiel, Bandbreiten des Lichts in Strom umzuwandeln, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. „Man kann so Fensterscheiben zu Sonnen­kraftwerken umfunktionieren“, sagt ISE-Forscher Zimmermann, etwa in Gewächs­häusern.

Offensichtlich versprechen sich die Geldgeber, darunter die Energiekonzerne Eon und Enel, viel von der Dresdner Technologie. „Unser Vertrieb hat jedenfalls ein Luxusproblem“, sagt Stephan Kube: „Wir produzieren noch nicht so viel, wie nachgefragt wird.“ Heliatek sucht fortlaufend nach weiteren Innovationen. Zwölf Wis­sen­schaft­le­r:in­nen beschäftigen sich ausschließlich mit der Suche nach neuen Materialkombinationen, die beispielsweise Strom effektiver umwandeln. „Solche Stoffe müssen dann aber auch lange haltbar sein“, sagt Kube. Also suchen die Wissenschaftler nach der Nadel im Heuhaufen. Aber wenn sie sie finden, ist die Nadel aus Gold.

Marktreife: Sehr hoch. Es gibt Konkurrenten in Frankreich und Dänemark.

Innovationsgrad: Sehr, sehr hoch. Es sind Tausende verschiedene Grundstoffe denkbar.

Weltrettungsfaktor: Enorm. Ohne diese Zellen kann die solare Revolution nicht gelingen, weil es zu wenig Aluminium und Blei für die herkömmlichen Siliziumzellen gibt.

Umsetzungsproblem: Der Wirkungsgrad ist noch zu gering.

Die Wärmelieferantin

Das Spannende an unserem Modul ist die Rückseite“, sagt Barbara Schilling, die bei der Firma Consolar im Marketing arbeitet. Tatsächlich sieht die Solarzelle auf der Vorderseite aus wie eine ganz normale Solarzelle. „Auf der Rückseite aber erkennt man die gerippte Struktur eines Wärmetauschers: Wir produzieren Strom und Wärme gleichzeitig.“

Wobei die Wärmeerzeugung im Vordergrund der neuen Technologie steht: „Es geht nicht darum, viel Sonnenstrom ins Netz einzuspeisen, sondern darum, eine Wärmepumpe zu versorgen“, so Schilling – und das mit dem emissionsfreien Strom des Moduls. „Dadurch können wir mehr als die dreifache Energie vom Dach ernten, als wenn dort ‚normale‘ Solarzellen installiert worden wären.“

Die Idee ist naheliegend: Werden ­Solarzellen zu heiß, sinkt ihr Wirkungsgrad und damit der Ertrag. Kühlt man sie aber, wird der Ertrag gesteigert. Also musste eine Verwendung für jene ­Energie gefunden werden, die beim ­Kühlen anfällt – ideal für eine Wärmepumpe. Und ein solarer Technologiesprung: Normalerweise brauchen Wärmepumpen ­Erdsonden oder ­Ventilatoren, die laut sind und die Umgebungsluft ­aufsaugen. Werden diese über das Stromnetz ­versorgt, ­laufen sie aktuell mit 50 ­Prozent fossilem Strom. Die solare Wärmepumpe dagegen läuft völlig emissionsfrei.

Consolar meldete das Patent für das Kombi-Modul, das Sonnenstrom und Sonnenwärme gleichzeitig produziert, im Jahr 2017 an. 2018 startete die Produktion. Nach eigenen Angaben hat die Firma mit Sitz in Frankfurt am Main seitdem 20.000 Module in ganz Europa verkauft.

„Durch die Kühlung erreichen unsere Zellen einen sechs bis zehn Prozent höheren Stromertrag“, sagt Barbara Schilling. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass moderne Silizium-Solarzellen ohnehin nur bis zu 25 Prozent des Sonnenlichts in Strom umwandeln können. „Und dann nutzen wir ja auch noch jenen Teil der Sonnenenergie, die als Wärmestrahlung auf die Erde fällt“, freut sich Marketing-Frau Schilling: Das sei „das richtige Modul zur richtigen Zeit“! Schließlich führt der Wärmepumpenboom nur dann zu mehr Klimaschutz, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt.

Marktreife: Sehr hoch.

Innovationsgrad: Mittel. Die Idee dieser Technologie lag nahe.

Weltrettungsfaktor: Hoch. Im Heizungssektor sind klimafreundliche Innovationen bislang Mangelware.

Umsetzungsproblem: Das System ist noch vergleichsweise teuer.

Die Ackerbeschatterin

Landwirte sind selten Leugner des menschgemachten Klimawandels, sie spüren auf dem Feld, wie sich die Anbaubedingungen ­verändert haben. Im März 2022 gab es zum Beispiel einen neuen Sonnenscheinrekord: Die Sonne schien länger als sonst in einem durchschnittlichen Juli – und das, obwohl die Tage im März kürzer sind als im Sommer. Mehr Sonnenschein bedeutet mehr Verdunstung bei weniger Regen. Auch den Weinbauern bereitet das Probleme. Weil die Sonne länger und intensiver scheint, bekommen in Deutschland bereits jetzt viele Trauben regelrechten Sonnenbrand.

Helfen könnten den Bauern Solarzellen. Die Anlagen sind auf Ständern drei Meter über dem Boden montiert und bieten so Schatten und Schutz vor Hagel oder Starkregen, und genügend Platz, um mit dem Traktor darunter zu arbeiten. Eine Reihe Module, eine Reihe frei – die Pflanzen darunter erhalten zwar bis zu 30 Prozent weniger Licht, Kartoffeln, Weizen und Gemüse reicht das aber für ihr Wachstum. Denn die Photosynthese ist ab einer bestimmten Lichteinstrahlung ­gesättigt, ihre Leistung nimmt dann nicht weiter zu.

Nahezu logisch ist der Einsatz solcher Systeme im Obstanbau. Früchte wie Kirschen, Wein, aber auch Äpfel werden heute häufig durch Folien und andere Schutzverbauungen vor Starkregen, zu starker Sonne oder Hagel geschützt. Agri-Photovoltaik-Anlagen, wie die Solarpanele über den Feldern genannt werden, können das viel wirtschaftlicher, denn sie produzieren obendrein Strom. Auch als Solarzaun lässt sich die Photovoltaik mittlerweile nutzen. Übrigens auch für Eigenheimbewohner.

Marktreife: Ausgereift.

Innovationsgrad: Mittel. Vorhandene Technologie wurde zur neuen Nutzung adaptiert.

Weltrettungsfaktor: Sehr hoch. Um 100 ­Prozent erneuerbare Energie zu gewinnen, ist deshalb viel Fläche notwendig.

Umsetzungsproblem: Immer noch aufwendige und komplizierte ­Genehmigungsverfahren.

Die Solargardine

Hitze ist eines der Haupt­probleme, die der Klima­wandel nach ­Mitteleuropa bringen wird. Spitzentemperaturen von 42 Grad und mehr werden bereits Mitte des Jahr­hunderts keine Seltenheit mehr sein. Städte heizen sich viel stärker auf als das Umland, in Köln wird ein Klima ­herrschen, wie heute in San Marino, ­Berlin wird klimatische Zustände wie heute im südfranzösischen Toulouse ­bekommen, Hamburg wie im ­spanischen ­Pamplona. Die Städte in Südeuropa sind mit ­Hitzeerfahrung gebaut: kleine ­Fenster, enge Gassen, viel Verschattung.

Solche Erfahrungen fehlen deutschen Architekten. Sie bauen noch immer mit riesigen Glasfassaden. Die werden ­dafür sorgen, dass sich die Räume dahinter unerträglich aufheizen werden – ­zumindest, wenn nicht eine Erfindung des Schweizer Arno Schlüter zum Einsatz kommt: Der Professor für Architektur und Gebäudesysteme an der ETH Zürich hat mit seinem Team ein ­solares System entwickelt, das einer Gardine gleicht.

Dafür montierten die ETH-Forschenden ein Geflecht aus quadratischen Solarpanelen vor einem Bürofenster. Jedes dieser Panele kann einzeln angesteuert und durch ein ausgeklügeltes Druckluftsystem bewegt werden. Etwa nach dem Stand der Sonne, wodurch der Sonnenstromertrag verglichen mit herkömmlichen statischen Solarfassaden höher ist. Gleichzeitig bleibt die Sonnenenergie, die das Büro aufheizen würde, draußen. Sollte es einmal zu kühl werden, lässt sich die Solargardine so aufdrehen, dass viel Sonnenenergie ins Innere dringt. Passenderweise heißt das System „Solskin“, Solarhaut, in diesem Jahr soll es auf den Markt kommen.

Marktreife: Gering. Es gibt nur einige ­Prototypen.

Innovationsgrad: Hoch. Der neue Regelungsmotor ist patentiert.

Weltrettungsfaktor: Mittel. Immerhin der Büroflächenrettungsfaktor in Mitteleuropa ist hoch.

Umsetzungsproblem: Träge Bauherren, die den Klimawandel in ihre Planung nicht einbeziehen.

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