Rechtsextreme Traditionslinien: Selbsternannte Dissidenten

Das neurechte Magazin „Sezession“ um Götz Kubitschek feierte sein 20-jähriges Jubiläum ganz privat. Denn kritische Reflexion ist nicht erwünscht.

Götz Kubitschek auf der Frankfurter Buchmesse

Götz Kubitschek 2018 auf der Frankfurter Buchmesse Foto: Peter Hartenfelser

Sie suchen den politischen Disput, vermeiden aber die kritische Reaktion. Im engen Kreis feierte die Sezession um Chefredakteur Götz Kubitschek das 20-jährige Jubiläum der „politisch-kulturellen Zeitschrift“. In Schnellroda am Sitz des Instituts für Staatspolitik (IfS) kamen 140 Fördernde und Freunde der Sezession zusammen. Das Jubiläum am 25. März sollte „ohne Störung“, „ohne Polizei“ und ohne „Fotografen der Antifa“ stattfinden, erklärt Kubitschek auf ­sezession.de die nicht öffentliche Einladung.

Denn „wenn hundert Förderabonnenten und langjährige Freunde unserer Arbeit, Mitarbeiter und Autoren, Vertreter freier Medien, faire Journalisten und die Fraktionsspitzen aller AfD-Ostverbände zusammenkommen, dann ist das ein Ereignis“. Hätten sie „aufgetrumpft“, wäre das kleine Dorf in Sachsen-Anhalt wieder in einen Ausnahmezustand versetzt worden, so Kubitschek.

Diese taktische Rücksichtnahme spiegelt wenig den strategischen Kurs der Provokation im metapolitischen Raum wider, die Kubitschek darlegt, um Themen und Tonlagen in der gesellschaftlichen Mitte zu setzen. Sie gibt auch nicht den politischen Habitus des soldatisch Heroischen wieder, den Ernst Jünger in „In Stahlgewittern“ beschwört. Jener Herr gehört zu dem Herrenclub der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Zeit, auf dessen antiliberale, antidemokratische und anti­ega­litäre Attacken sich die Fanboys der Sezession beziehen. „Sie sind Epigonen dieser autoritären Revolte gegen eine demokratische Republik“, sagt Volker Weiß. Und der Historiker und Rechtsextremismusexperte betont, dass sie weniger eloquent, sondern vielmehr redundant seien.

Der Mitbegründer des IfS, Karlheinz Weißmann, legte diese Basis in der neurechten Jungen Freiheit (JF) selbst dar, als er zur Gründung des Instituts im Jahr 2000 auf das „Politische Kolleg“ hinwies. Von 1920 bis 1925 bestand diese „private Hochschule“, getragen von „Konservativen Revolutionären“ und finanziert von der Schwerindustrie. Diese Traditionslinien finden sich stets beim IfS, das als eingetragener Verein die Sezession verantwortet. Sie offenbart sich bei der Zeitschrift in Schwerpunkten zu Ernst Jünger oder Sondernummern zu Oswald Spengler. Mit „Der Untergang des Abendlandes“ schrieb Spengler mit zwei Bänden 1918 und 1922 ein Standardwerk des extrem rechten Kanons.

Publizistische Lücke schließen

Auf den 60 Seiten der Sezession greifen die Au­to­r*in­nen zwar aktuelle Themen auf, die jedoch im Rekurs extrem rechter Denker eingeordnet werden. Debatten einordnen, Richtungen geben, das ist auch die Intention, die Erik Lehnert, der dem IfS-Verein vorsteht, hervorhebt. Mit der Sezession wollten sie zudem die publizistische Lücke schließen, die durch die neue Ausrichtung von Criticón entstanden war. Seit 1970 war die Zeitschrift das Theorie- und Selbstverständigungsorgan des neurechten Milieus. Kubitschek, aber auch Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD und ihrer Bundestagsfraktion, schrieben im Criticón.

Bis heute kann die Sezession, die erst durch eine Spende von 15.000 Euro realisiert werden konnte, nicht am Bahnhofskiosk bezogen werden. Dieses Marktsegment hatte die Redaktion aber auch nie anvisiert. In dem Konzept schrei­ben sie, das Ziel sei nicht, „möglichst viele Leser zu erreichen“, wichtig wäre ihnen, „die richtigen Leser“ anzusprechen, und das seien diejenigen, denen das „rechte, konservative Denken nicht verborgen bleiben“ sollte. Ständige Au­to­r*in­nen sind neben den zwei Frauen Ellen Kositza und Caroline Sommerfeld acht Männer, unter anderem Martin Sellner und Benedikt Kaiser. Viele kommen aus der rechtsextremen Identitären Bewegung.

Mit dem Titel spielt die Redaktion auf den 1993 veröffentlichen Essay „Anschwellender Bocksgesang“ von Botho Strauß an. In dem Essay kritisiert der Schriftsteller und Dramaturg die vermeintlich linksliberale Meinungshoheit und empfiehlt die „Abkehr vom Mainstream“. „Was man braucht, ist der Mut zur Sezession“, schrieb er, und: „Ich bin davon überzeugt […], daß ein versprengtes Häuflein von inspirierten Nichteinverstandenen“ dringend geboten sei. In ihrer Rede zum „Innenraum der Sezession“ betonte Kositza, dass es ihnen als „Sezessionisten“ nie um „Rendite“ ging, sondern der „Idealismus“ sie antreibe. Kositza, die hervorhebt, „vor allem Hausfrau und im Nebenberuf Redakteurin“ der Sezession zu sein, beklagt aber auch: „Schweigen ist Silber, reden ist Gold, niemand sollte im Geheimen Sezessionist sein.“

Dieser Appell impliziert eine Cancel Culture. Er bedeutet jedoch nichts anderes als dass kritischer Widerspruch ausbleiben soll, wenn öffentlich sezessionistische Positionen formuliert werden. Ihre Crux: Zu ihrem Kanon gehört das Spektakel des Opferganges, die Widerständigkeitsinszenierung. Diese selbsternannten Dissidenten des Denkens betreiben eine politische Bigotterie. Lehnert beklagt auf dem Jubiläum einerseits, dass die Sezession früher mal von der FAZ besprochen wurde, a­nderseits lobt er die Sezession als „Symbol, für wie gefährlich Denken sein kann“.

Rechtsentwicklung der AfD

Die Einladung zierte das Motto „Arbeiten in der Sicherheit des Schweigens“. Ganz schweigen wollte Kubitschek nicht, er berichtete von Gästen und Vorträgen. Über den „Ukrainekonflikt“ hielt Hans Neuhoff den Hauptvortrag. Der Professor an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und AfD-Mitglied knüpfte an einen Vortrag bei der IfS-Akademie an. Diese Sommer- und Winterakademien sind eng mit der Sezession verbunden. Vor der geschlossenen Gemein­schaft sprach der Thüringische AfD-Land­tags­frak­tions­chef Björn Höcke über den „frühen Austausch“ mit Kubitschek.

Längst ist bekannt, dass Kubitschek mit Höcke die Rechtsentwicklung der AfD vorantrieb. Zu der Gemeinschaft stieß später der sächsische AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Jörg Urban dazu. Auf ­sesezzion.de erklärt die Redaktion nicht gerade zurückhaltend: „Vieles, was an der AfD und an anderen Widerstandsprojekten grundsätzlich, kompromißlos, nicht verhandelbar und angriffslustig wirkt und ist, wurde in unserer Zeitschrift vorausgedacht, ausformuliert und in die Debatte erst eingespeist.“ Mehr könne ein „metapolitisches Zeitschriftenprojekt“ sich „nicht wünschen!“.

Beim Jubiläum fehlte einer allerdings, den Lehnert erwähnte: Weißmann. Der IfS-Mitgründer bestimmte lange die Sezession, legte das ideologische Fundament. 2014 zerstritten sich Weißmann und Kubitschek wegen der AfD. In der Jungen Freiheit meinte Weißmann, Kubitschek sei „eigentlich kein politischer Kopf“. Da „verwechselt jemand Literatur mit Staatslehre und Ästhetik mit Politik“. Was „fatale Konsequenzen“ habe, „wenn der betreffende trotzdem Politikberatung treibt“. Er warnt immer wieder, dass durch Kubitschek und Höcke die AfD beim Verfassungsschutz (VS) zum Gesamtbeobachtungsobjekt werde. Das IfS stufte der VS in Sachsen-Anhalt bereits als rechtsextremistisch ein.

Im Jahr 2017 schob Weißmann Cato an. Das „Magazin für neue Sachlichkeit“ kann an Kiosken gekauft werden. Die Au­to­r*in­nen kommen nicht allein aus dem Inner Circle des neurechten Milieus. Druckauflage: 12.500 Exemplare. Die Dimension der publizistischen Resonanz ist dennoch schwer zu vergleichen. Die Sezession will den akademischen Nachwuchs beeinflussen.

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