Wohnen in Berlin als Luxusproblem: Ich habe als Mieterin versagt

In Sachen Nachhaltigkeit hat Wohnen keine besonders gute Bilanz. Deswegen will unsere Kolumnistin darauf verzichten. Wenn auch nicht freiwillig.

Blick über die Dächer des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg

Wohnraum gibt es schon in Berlin. Aber billigen… Foto: picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Hey, worauf wirst DU in Zukunft verzichten für mehr Nachhaltigkeit, fragt mich die Frauenzeitschrift meines Vertrauens – und ich habe diesmal augenblicklich eine Antwort parat: Wohnen! Ich werde auf Wohnen verzichten.

Wohnen zählt zu den Bereichen, die die Umwelt am stärksten belasten

Wohnen gehört nämlich laut Umweltbundesamt neben Ernährung und Mobilität zu den drei Konsumbereichen, die die Umwelt am stärksten belasten. Ich wäre deshalb eigentlich gerne ein bisschen stolz auf meine Idee, wie ich künftig meinen Beitrag zur Rettung des Planeten leisten kann. Aber ich will mich nicht mit fremden Lorbeeren schmücken: Ich bin gar nicht selbst darauf gekommen.

Stattdessen ist es so, dass mein Haus an jemanden verkauft wurde, dessen Gelderwerb darin besteht, ansässige Mie­te­r*in­nen zu vertreiben, um deren Zuhause dann luxuriös zu sanieren und so zuvor bezahlbare Mietwohnungen als teure Eigentumswohnungen zu verkaufen.

Eine geniale Geschäftsidee natürlich, jedenfalls, um viel Geld zu verdienen, und darum geht es bei Geschäftsideen ja wohl, sagte man mir. Aber, Sie wissen es schon: Gute Ideen sind nicht so meins. Super Geschäftsideen schon gar nicht, ich gehöre deshalb einkommensmäßig zur unteren Hälfte in Berlin. Dafür tue ich demnächst etwas für die Umwelt, der neue Hausbesitzer aber nicht: Denn gewohnt wird in meinem, nein, natürlich seinem Haus ja weiter. Nur eben nicht von mir.

Offen gesagt hatte ich zuerst daran gedacht, mir einfach eine andere Wohnung zu suchen. Es gibt in Berlin ja freien Wohnraum: Das Internet bietet mir gleich 30 Zweizimmerwohnungen zur Auswahl, insgesamt fast 3.000 Quadratmeter leerstehender bezugsfertiger Wohnraum. Allerdings kostet die billigste davon 1.000 Euro für 46 Quadratmeter, die teuerste 8.500. Die ist aber auch möbliert.

Das Weiterwohnen scheitert also an meinem eigenen Mangel an guten (Geschäfts-)Ideen und damit deutlicher gesagt am Geld: Ich kann mir Wohnen künftig schlicht nicht mehr leisten, ich bin dafür einfach nicht reich genug. Die Angebotsmieten haben sich in Berlin in den vergangenen 14 Jahren mehr als verdoppelt, bei Neuvermietungen stiegen sie allein im ersten Quartal dieses Jahres um 30 Prozent. Angesichts dessen ist meine individuelle Leistungsfähigkeit als Mieterin, auf die Im­mo­bi­li­en­un­ter­neh­me­r:in­nen sich für ihren Broterwerb ja verlassen können müssen, an ihre Grenze gestoßen: Ich habe als Mieterin, also als Konsumentin auf dem Wohnungsmarkt, versagt.

Ich werde demnächst also auf den Konsumbereich Wohnen verzichten müssen. Man kann aber doch Wohngeld als Unterstützung bekommen!, werden Sie jetzt sagen. Stimmt. Aber irgendwie finde ich das für mich unlogisch und falsch. Ich arbeite ja, ich möchte gar keine staatliche Hilfe! Ich möchte von meinem Einkommen leben und wohnen können und dass von meinen Steuern bezahlbare Wohnungen für alle gebaut werden, statt Gewinne von Miethaien zu finanzieren.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Und immerhin tue ich als Nichtwohnende automatisch auch noch in den anderen Kon­sumbereichen, die das Umweltbundesamt als schädlich definiert, viel für die Nachhaltigkeit: Energieverbrauchende Geräte etwa, Heizung, Gasherd habe ich dann nicht mehr, auch keinen Kühlschrank zu füllen. Mein Besitz wird in einen Rucksack passen müssen.

Allerdings ist genau das, auch das möchte ich zugeben, bei dieser Sache mein großes Problem: Ich hasse Rucksäcke. Bisher hatte ich nie einen. Was mich an ihnen stört? Ich finde, man geht damit so unschön gebeugt. Aber was soll’s, wenn es doch so vielem offenbar als wichtiger Bewertetem dient: der Rettung des Planeten und der Gewinnmaximierung von Immobilieninvestoren. Da werde ich mich an diese geduckte Haltung wohl gewöhnen müssen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.