Kommentar von Uwe Rada
zum Zeitpunkt der Klimaproteste
: Zu spät,
und das ist
auch gut so

Am Mittwoch haben Mitglieder der Gruppe Letzte Generation mit ihren Protesten in Berlin begonnen. Es kam zu kleineren Blockadeversuchen. An der Michaelbrücke verhinderte die Polizei, die mit 100 Beamten im Einsatz war, dass sich Protestierende an der Brücke festketten.

Es hat also begonnen. Von einigen erwartet, von vielen befürchtet. Berlin ist Schauplatz einer konzertierten Aktion von Klimaschützerinnen und Klimaschützern, die in der Orchestrierung ihrer Proteste einer einfachen Logik folgen. Je erfolgloser das eigene Vorgehen, desto radikaler wird es. Dezentrale Aktionen, Eskalation, und am Ende soll, das ist das Ziel, die Stadt lahmgelegt werden. Bis zu 800 Aktivistinnen und Aktivisten werden in der kommenden Woche in der Stadt erwartet.

Es ist der sich radikalisierende Protest einer Minderheit, den die Berlinerinnen und Berliner in den kommenden Tagen und vielleicht Wochen zeitnah verfolgen können – und vielleicht erdulden müssen. Minderheit deshalb, weil sich selbst die Grünen abwenden. Zu viel Aufmerksamkeit für Blockaden, zu wenig für den Klimaschutz lautet der Vorwurf.

Selten waren die öffentlichen Sympathien und Antipathien klarer verteilt. Die Sorge ist deshalb berechtigt, dass der Eskalation der Proteste auch eine der Gegnerinnen und Gegner folgt. Im schlimmsten Falle wird man über den April 2023 im nachhinein sprechen wie über die Randale zu Hochzeiten des 1. Mai: überrascht, fasziniert, abgestoßen, nach Konsequenzen rufend. Berlin hätte wieder ein Thema, und sei es die Frage, ob die Letzte Generation ihr letztes Aufbäumen auf die Bühne gebracht hat.

Für die Landespolitik haben die Proteste keine gravierenden Folgen. Denn zu erfolgreicher Symbolpolitik gehört auch das richtige ­Timing. Das Timing der Letzten Generation folgt der Binnenlogik ihrer Mobilisierungsfähigkeit, befeuert durch die klägliche Performance der Ampel. Deshalb der Fokus auf das Regierungsviertel. Vom Roten Rathaus spricht keiner.

Der Logik der Regierungsbildung auf Landesebene folgen die Proteste also nicht. Und das ist auch gut so. Solange es noch ein Fünkchen Hoffnung gibt, dass sich die Basis der SPD gegen Schwarz-Rot ausspricht, wäre eine Stadt im Ausnahmezustand Wasser auf die Mühlen derer, die einen harten innenpolitischen Kurs fordern.

Foto: privat

Uwe Rada ist Redakteur für Stadtentwicklung und Landespolitik.

Bis die Proteste ihren Höhepunkt erreicht haben, haben die Genossinnen und Genossen allerdings schon abgestimmt.

Gut möglich, dass auf die Letzte Generation die Neuauflage von Rot-Grün-Rot folgt. Nicht wegen der Proteste, sondern trotz ihnen.

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