Protest gegen polnischen Spediteur: Wilder Streik zeigt erste Erfolge

Die ersten streikenden Lkw-Fahrer auf der Raststätte Gräfenhausen haben ausstehende Löhne erhalten. Vorbei ist ihr Protest aber noch nicht.

LKW-Fahrer stehen während eines Streiks von Lastwagenfahrern eines polnischen Logistikunternehmens auf der Raststätte Gräfenhausen West an den LKWs.

Wollen ihren Lohn: Streikende LKW-Fahrer auf der Raststätte Gräfenhausen West Foto: dpa/Sebastian Christoph Gollnow

GRÄFENHAUSEN/BERLIN taz | Seit fast vier Wochen protestieren mehr als 60 georgische und usbekische Lkw-Fahrer auf der Raststätte Gräfenhausen West bei Darmstadt wegen nicht gezahlter Löhne. Nun zeigt der Arbeitskampf erste Erfolge: Die ersten Fahrer berichten von Zahlungseingang auf ihrem Konto am Ende der zurückliegenden Woche.

Die Protestierenden fahren für den polnischen Fuhrunternehmer Łukasz Mazur. Dieser hatte telefonisch sowohl gegenüber einzelnen Fahrern als auch den polnischen Medien angekündigt, zahlen zu wollen. Damit gab er erstmals zu, den als Scheinselbstständigen ausgebeuteten Arbeitern Geld schuldig zu sein. Bis dato hatte Mazur stets behauptet, alles gezahlt zu haben – ohne es jedoch belegen zu können.

Dazu jedoch hatte ihn der von den Fahrern bestimmte Verhandlungsführer Edwin Atema von der niederländischen Gewerkschaft FNV mehrfach aufgefordert. Gemeinsam mit dem Beratungsnetzwerk Faire Mobilität des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unterstützt die FNV die Streikenden.

Der wilde Streik hatte international Aufmerksamkeit erregt. Das lag nicht zuletzt an dem aggressiven Vorgehen Mazurs, der am Karfreitag versucht hatte, mithilfe der Kampftruppe einer polnischen Privatdetektei – der Rutkowski Patrol – die auf der Raststätte geparkten Lkws in seine Gewalt zu bekommen. Mazur war daraufhin festgenommen worden.

Ausbeuterische Transportkette

Auch der ökonomische Druck auf den Unternehmer dürfte hoch sein: durch Vertragsstrafe wegen nicht ausgelieferter Waren, das Einbehalten der Lkws sowie die Ankündigung mehrerer großer Kunden, die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen einzustellen. Dies hatten auf Anfrage der taz etwa die Speditionen Sennder sowie Lkw Walter erklärt.

Die Streikenden hatten sich am Gründonnerstag mit einem offenen Brief unter anderem an diese Speditionen gewandt. Im EU-Straßentransport ist es weit verbreitet, dass extrem ausgebeutete Fahrer aus Drittstaaten von osteuropäischen Firmen angeheuert werden, die wiederum Aufträge von großen westeuropäischen Speditionen ausführen. Auch die Deutsche Post DHL hat laut den Streikenden einen offenen Brief bekommen – wollte sich bislang jedoch trotz mehrfacher Nachfrage der taz nicht zu dem Vorgang äußern.

Die Streikenden erhalten weiterhin Unterstützung von Ge­werk­schaf­te­r*in­nen und An­woh­ne­r*in­nen aus der Region, etwa durch Geld- und Sachspenden, Lebensmittel und Infrastruktur. Regelmäßig kommen Trucker an der Raststätte vorbei und hupen oder applaudieren als Zeichen der Solidarität. Aus Südkorea und den Philippinen meldeten sich in der zurückliegenden Woche gewerkschaftlich organisierte Fahrer mit Grußbotschaften zu Wort.

Nur ein Teillohn ausgezahlt

Auch Ver­tre­te­r*in­nen des georgischen Gewerkschaftsbundes GTUC waren am Dienstag in Gräfenhausen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. In Polen protestierte die anarchosyndikalistische Gewerkschaft OZZ Inicjatywa Pracownicza am Freitag vor der deutschen Botschaft in Warschau unter dem Motto „Mazur, pay the workers“. Dort war auch Krzysztof Rutkowski aufgelaufen, Gründer der Rutkowski Patrol, um sich über die Behandlung seiner Truppe in Deutschland zu beschweren.

Anna Weirich, Beratungsnetzwerk Faire Mobilität

„Der Protest geht weiter, bis alle alles erhalten haben“

Trotz der ersten Zahlungen setzten die Fahrer ihren Streik über das Wochenende fort. „Es ist ganz klar: Der Protest geht weiter, bis alle alles erhalten haben“, sagt Anna Weirich, Branchenkoordinatorin internationaler Straßentransport bei Faire Mobilität. Einer der Fahrer sagte der taz am Samstag, er habe zwar 2.300 Euro, aber noch nicht den vollen ausstehenden Lohn in Höhe von 4.300 Euro erhalten.

Man habe inzwischen genügend Erfahrung mit falschen Versprechen Mazurs gemacht, um auf reine Ankündigungen nicht hereinzufallen, betont Weirich. Skepsis scheint auch deshalb angebracht, weil am Donnerstag die Staatsanwaltschaft Darmstadt mitgeteilt hatte, Mazur habe Anzeige wegen mutmaßlicher Unterschlagung von 39 Lkws erstattet. Ob den ersten Zahlungen weitere gefolgt sind, wird sich Anfang der Woche herausstellen. Am Sonntag stand bei den Streikenden in Gräfenhausen erst einmal das orthodoxe Osterfest auf dem Programm.

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