Deutschland strahlt weiter

Die hiesigen AKWs liefern ab sofort keinen Strom mehr, Probleme machen sie trotzdem noch. Abschaltung und Abriss dauern viele Jahre. Und dann ist da ja noch der Atommüll

Von Susanne Schwarz

Für den Anfang vom Ende r­eichen drei Knopfdrücke. Die letzten deutschen Atomkraftwerke Emsland in Lingen, Neckarwestheim 2 im gleichnamigen Ort und Isar 2 in Ohu bei Landshut sind seit Samstag abgeschaltet, wenn alles nach Plan verlaufen ist.

Der Rest des Ausstiegs ist aber kompliziert und langwierig. Teile der deutschen Atomwirtschaft laufen ohnehin erst mal weiter. Die Brennelementefabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau müssen nicht dichtmachen. Und die ausgedienten AKWs können nicht einfach abgerissen oder umfunktioniert werden. Radioaktiv sind nicht nur die Brennelemente, die ganze Anlage ist verstrahlt.

Vorerst gehen die abgeschalteten Kraftwerke in die sogenannte Nachbetriebsphase. Die Brennelemente müssen abkühlen und ihre Strahlungsaktivität verringern. Dazu kommen sie in ein Abklingbecken. Dort müssen sie bis zu fünf Jahre bleiben. Erst dann ist an einen Umzug in ein Zwischenlager für Atommüll zu denken.

Auch damit ist der größte Teil der Arbeit noch nicht erledigt – der Rückbau des Gebäudes und der Anlagen darin steht noch an. Dafür gibt es mehrere Optionen. Eine ist der „sichere Einschluss“. Dabei wird das Kraftwerk versiegelt und für Jahrzehnte stehen gelassen. Derweil verringert sich die Radioaktivität, sodass der Rückbau schließlich einfacher wird. Dafür dauert der Prozess lange, und es fallen Kosten an, etwa durch die nötige Lüftung, die Temperaturregelung und einen Wachdienst.

Mittlerweile wird aber nur noch der „direkte Rückbau“ genehmigt. Die AKWs verwandeln sich nach der Nachbetriebsphase in Fabriken für die Bearbeitung von Atommüll: Die Teile werden vor Ort bestmöglich gereinigt und zerlegt. Schnell geht auch das nicht. Im Falle des AKWs Emsland geht der Betreiberkonzern RWE etwa davon aus, dass die Anlage erst 2037 frei von Radioaktivität sein wird.

Die Atomwirtschaft hinterlässt neben den alten Kraftwerksgebäuden zahlreiche weitere Spuren in Deutschland. Vor allem im Osten gibt es mehrere Halden, auf denen die teils radioaktiven und giftigen Überreste des Uranbergbaus lagern.

Der Müll bleibt

Auch der Atommüll bleibt ein ungeklärtes Problem. Die zwei ­bisherigen Endlager für leicht und mittelstark radioaktiven Müll sind marode. Im sachsen-anhaltinischen Morsleben muss ein Endlager aufwendig stabilisiert werden. Sofern die Genehmigung dafür erteilt wird, soll es stillgelegt werden. Aus dem nahegelegenen ­Endlager Asse II in Niedersachsen muss der schon deponierte Atommüll sogar wieder herausgeholt werden. Ein neuer Ort für leicht und mittelstark radioaktiven Müll ist in Vorbereitung: Ab 2027 soll Endlager Konrad im niedersächsischen Salz­gitter in Betrieb gehen. Zu einem künftigen Endlager für hochradioaktiven Müll ist hingegen nur klar, wo es nicht hinkommt: ins nieder­sächsische Gorleben, das viele Jahre im Gespräch war.

Wo auch immer der gefährlichste Teil des Atommülls gelagert wird – für 1 Million Jahre muss er dort von allem Leben ferngehalten werden.