Spaltung im internationalen Boxsport: Ein Putsch als Rettungsversuch

Mit deutscher Hilfe wird ein neuer Boxweltverband aufgebaut. Die fürs olympische Boxen zuständige IBA führt der Putin-Freund Umar Kremlew an.

verschwommene Aufnahme eines Boxkampfes

Unklar: Wie olympisch und russisch wird der internationale Boxsport künftig aussehen? Foto: imago

Die Spaltung nimmt Formen an. Am Donnerstag kündigte eine Gruppe nationaler Verbände an, einen neuen Boxweltverband mit dem Namen „World Boxing“ zu gründen. „Amateurboxen im olympischen Stil steht vor dem Aus bei den Olympischen Spielen“, so begründete der Präsident von USA Boxing, Tyson Lee, der dem Interimsvorstand der neuen Organisation angehört, den Schritt. Unterstützer dieser Neugründung sind neben den USA unter anderem die Verbände aus England, Deutschland, den Niederlanden, Australien und Neuseeland. Michael Müller, der Sportdirektor des Deutschen Boxsport-Verbands (DBV), sitzt im Interims-Exekutivkomitee.

Der bislang fürs olympische Boxen zuständige Verband, der internationale Boxverband (International Boxing Association, IBA), reagierte prompt. Er sprach von einem „Putsch“ und drohte den Beteiligten mit Schadenersatzforderungen und dem Ausschluss der nationalen Verbände. „Wie in jeder gut organisierten Organisation gibt es Mechanismen zum Schutz der Organisation, ihrer Mitglieder und letztlich der Athleten.“

Die olympische Zukunft ist die eine Frage, welche die internationale Boxgemeinde bewegt. Spaltend und nicht loszulösen von dieser Frage wirkte aber zuletzt vor allem der Umgang der IBA mit russischen und belarussischen Athleten. Schon bevor das Internationale Olympische Komitee (IOC) kürzlich die umstrittene Empfehlung aussprach, den Bann gegen diese Sportler unter Einschränkungen zu beenden, gab die IBA einen sehr eigenwilligen Kurs vor.

Bei der Weltmeisterschaft der Frauen im März in Indien durften Russinnen und Belarussinnen bedingungslos mitboxen. Deren Fahnen wurden geschwenkt und die Hymnen gespielt. Boxerinnen aus Polen, Deutschland, den USA und etlichen anderen Ländern blieben auch deshalb dem Höhepunkt in diesem Sportjahr fern. Die Inklusionsbereitschaft der IBA hat allerdings Grenzen. Der ukrai­nische Verband wurde letztes Jahr suspendiert. Politische Einflussnahme von Staatsseite wurde dort beanstandet.

Präsident dank eines russischen Staatskonzerns

Verwundern kann die Haltung der IBA niemanden, wählte der Verband doch im Dezember 2020 in finanzieller Not den Russen Umar Kremlew an seine Spitze, einen engen Vertrauten von Staatspräsident Wladimir Putin, der mit Hilfe des Staatskonzerns Gazprom die Schulden von 16 Millionen Dollar tilgte und sich einen Großteil der 204 nationalen Verbände mit ­üppigen Überweisungen und Preisgeldern gefügig machte.

Interne Gegenspieler, die den Weltverband aus der russischen Staatsabhängigkeit führen wollten, wie der Niederländer Boris van der Vorst, fielen kurz vor der Präsidentschaftswahl 2022 durch den Integritätscheck, weshalb Kremlew als einziger Kandidat verblieb und wiedergewählt wurde. Nachdem der Internationale Sportgerichtshof das als rechtswidrig geißelte, ließ die IBA darüber abstimmen, ob die Wahl erneut durchgeführt werden sollte. Die Mehrheit war dagegen.

Das IOC äußerte offen sein Unbehagen über diesen Führungsstil. Die IBA und ihre Vorgängerorganisation AIBA arbeitet schon lange nicht mehr so, wie sich das der Dachverband vorstellt. Korruption, Betrug und verschobene Kämpfe waren gerade bei Olympischen Spielen üblich. Schon vor der Ära Kremlew entzog das IOC dem Fachverband die Organisation des olympischen Boxturniers 2021 in Tokio und nahm das selbst in die Hand. Auch 2024 in Paris wird dies so gehandhabt. Für die Spiele 2028 in Los Angeles ist Boxen bislang im olympischen Programm noch nicht berücksichtigt worden.

Die Gründung von World Boxing ist ein letzter Versuch, die olympische Perspektive zu bewahren. Die IBA sprach am Donnerstag davon, dass „der Weg zu unserer olympischen Anerkennung nichts anderes als eine vorbestimmte Sackgasse war“. Die fehlende Anerkennung eigener Reformen sei „inakzeptabel“. Adressiert war der Vorwurf offenkundig an das IOC.

Ein besseres Verhältnis zum IOC erhoffen sich die Gründer des neuen Verbands. World Boxing will in diesem Jahr mit einem Budget von 900.000 Euro operieren. Das kündigte der Interims-Generalsekretär Simon Toulson aus England an. Für November sind Wahlen eines Präsidenten und eines neuen Vorstands vorgesehen.

Es ist absehbar, dass der russische Angriffskrieg die Spaltungskräfte im internationalen Sport verstärken wird. Die besonderen Verhältnisse im olympischen Amateurboxbereich potenzieren das Problem. Am Donnerstag forderte die IBA übrigens auch vom IOC, den Euro­pean Games in Polen (21. Juni bis 2. Juli) den Qualifikationsstatus für die Olympischen Spiele abzuerkennen. Die Entscheidung der Veranstalter, Russen und Belarussen nicht teilnehmen zu lassen, zerstöre deren Olympiachancen.

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