Legalisierung von Cannabis: Verharmlost das Kiffen nicht

Einige sind enttäuscht, dass die Gras-Legalisierung nur abgeschwächt kommt. Unsere Autorin ist froh. In ihrem Umfeld hat das Kiffen Existenzen zerstört.

Ein Joint der qualmt

Kiffen, Buffen, Harzen, nicht für jeden psychisch geeignet Foto: blickwinkel/imago

Seit 20 Jahren ist mein alter Freund – nennen wir ihn Nils – nun tot. Nils hat früh angefangen zu kiffen. Unsere gemeinsame Zeit war schön. Wenn wir mit den Freunden am Strand feierten oder im Moor zelteten, fühlten wir uns frei.

Wir fuhren mit Nils’ roter Ente mit geöffnetem Dach durch die Landschaft, hörten Reggae und Manu Chao. Oft wurde ein Joint angezündet. Die, die sich wegdröhnen wollten, rauchten Bongs. Manche nahmen auch mal andere Drogen.

Irgendwann hörte Nils Stimmen, er fühlte sich aus dem Fernseher heraus beobachtet. Holzklötze, die er als Sitzhocker benutzt hatte, schmiss er aus dem Fenster im dritten Stock. Zum Glück wurde niemand getroffen.

Mit einer Psychose kam er in die Psychiatrie. Später ging es ihm einige Jahre etwas besser, aber es blieb mühsam. Immer wieder hatte er mal eher manische, mal depressive Phasen. Mit 27 nahm er sich das Leben.

Heute bin ich umgeben von Menschen, auch in der taz, die eine Legalisierung von Cannabis super fänden. Die enttäuscht sind, dass die Bundesregierung das Gras jetzt erst mal nur beschränkt freigibt, für den Eigenanbau und in Cannabis-Clubs. Mich erleichtert das.

Das Risiko für eine Psychose steigt

Ich kenne natürlich die Argumente der Befürworter. Es stimmt: Die bisherige Drogenpolitik verhindert nicht, dass junge Menschen kiffen. Der Staat würde mit einer Legalisierung den Schwarzmarkt eindämmen, Polizei und Justiz entlasten und Steuern einnehmen. Das Cannabis, auch die Konzentration des Wirkstoffs THC, könnte kontrolliert werden.

Aber Nils ist tot. Ein anderer aus der Gruppe damals hatte ebenfalls eine Psychose. Soweit ich weiß, kann er bis heute nicht alleine leben.

Kiffen hat einen starken Einfluss auf die Entwicklung des jugendlichen Gehirns. Es führt zu Erinnerungs- und Konzentrationsstörungen. Aber eben nicht nur das. Wissenschaftlerinnen werteten im Auftrag der Bundesregierung mehr als 2.000 Studien zur Wirkung von Cannabis aus. Demnach steigt das Risiko für eine Psychose bei gelegentlichem Konsum um das Doppelte, bei täglichem Konsum um das Fünffache.

Auch das Risiko für eine bipolare Störung liegt mit Cannabis dreimal so hoch wie ohne. Vor allem für jene, die psychisch eh nicht ganz stabil sind, ist Kiffen im Jugendalter wirklich gefährlich. Es kann Leben zerstören.

Mit einer vollständigen Legalisierung würde man diesen Jugendlichen das Signal senden: Kiffen ist okay. Und daran ändert auch eine Präventionskampagne nichts, die sich die Gesundheitsverwaltung sicherlich ausdenken wird.

Wenn Erwachsene Haschisch einfach so im Laden kaufen können, wird die Hemmschwelle für Jugendliche noch geringer, sich den Stoff ebenfalls zu besorgen.

Manche sagen, dass die Jugendlichen ohne Schwarzmarkt schwerer an Marihuana und Haschisch kämen und deshalb weniger konsumieren würden. Aber finden Dealer nicht immer ihren Weg zu potenziellen Kunden? Sollte die Ampel doch noch ernst machen mit einer Legalisierung, bleibt es nur eine leise Hoffnung, dass der Schwarzmarkt wirklich wegfällt.

Bei allen Argumenten für eine vollständige Freigabe: Ich würde diesen Schritt nicht verantworten wollen. In den Psychiatrien trifft man schon jetzt auf zu viele junge Menschen, die sich um den Verstand gekifft haben. Das ist unheimlich traurig, für alle Beteiligten.

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Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.

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