Im Libanon gibt es nun zwei Zeitzonen: Christliche Zeit, muslimische Zeit

Wohl um das Fasten zu erleichtern, möchten Muslime die Sommerzeit um einen Monat nach hinten verschieben. Das sorgt für Verwirrung, etwa bei Banken.

Ein Uhrenturm in einem Beiruter Vorort

Welche Zeit zeigt diese Uhr im Beiruter Vorort Sin-El-Fil nun an? Die christliche? Die muslimische? Foto: Mohamed Azakir/rtr

BEIRUT taz | Der Libanon liefert mal wieder Stoff für eine Realsatire. Das Land ist halb so groß wie Hessen und hat trotzdem ab Sonntag zwei Zeitzonen. Alles begann damit, dass Ministerpräsident Nadschib Mikati etwas länger in der Winterzeit leben wollte. Am Freitag erklärte er, die Umstellung auf die Sommerzeit, die in der Nacht auf Sonntag erfolgen sollte, um einen Monat zu verschieben. Einen Grund nannte er nicht.

Geleaktes Filmmaterial, das in den sozialen Medien zirkuliert, belegt aber, dass der Sunnit Mikati und seine muslimischen Kol­le­g*in­nen in der Regierung den früheren Sonnenuntergang bevorzugen: Denn letzte Woche begann der Fastenmonat Ramadan, während dem von Sonnenauf- bis Untergang nicht gegessen und getrunken werden soll. Und weniger Tageszeit bedeutet somit weniger Zeit, die es ohne Essen und Trinken auszuhalten gilt. Das Videomaterial zeigt eine Diskussion zwischen Mikati und dem schiitischen Parlamentssprecher Nabih Berri. Darin sagt Letzterer: „Statt 7 Uhr bleibt es ab jetzt bis zum Ende des Ramadan bei 6 Uhr. Am Ende des Ramadan stellen wir die Uhr zurück.“

Nach Bekanntwerden der Entscheidung arbeiten Mobilfunkunternehmen daran, die automatische Zeitumstellung aus dem System zu nehmen, damit die Zeit auf den Mobiltelefonen korrekt angezeigt wird. Die libanesische Fluggesellschaft MEA schrieb ihren Kun­d*in­nen, dass alle Abflüge um eine Stunde vorverlegt würden.

Ein Experte erklärte in der Tageszeitung An-Nahar, dass die Zeiten aller Länder in einem Netzwerk zur Synchronisierung der Uhr zwischen Computersystemen gespeichert sind. Alle mit dem Internet verbundenen Geräte kommunizieren mit diesem Netzwerk und stellen die Zeit automatisch um. Wenn der Libanon entgegen der Regel die Zeitumstellung nicht mitmacht, hat das Auswirkungen auf Systeme etwa in Krankenhäusern und Banken. Wegen der praktischen Probleme regt sich Boykott. Die Zentralbank benachrichtigte die Privatbanken, dass die Zentralbank die Zeitumstellung aufgrund der hohen Risiken, die sich aus Anpassungen in letzter Minute ergeben, nicht anwenden wird.

Gouverneur spricht von Verstoß gegen Verfassung

Empört ist auch die maronitisch-christliche Kirche. Deren Patriarch gab bekannt, die Uhren, entgegen dem Plan der Regierung, vorzustellen. Die christlich geprägte An-Nahar sowie drei große christliche Fernsehsender kündigten an, ihre Uhren um eine Stunde vorstellen. Der frühere Gouverneur der Hauptstadt Beirut sprach im christlich geprägten Sender MTV von einem Verstoß gegen die Verfassung.

Die Kontroverse und den Gegenwind kann Mikati nicht verstehen. Er äußerte, ganz unironisch, sein Bedauern über „den sektiererischen Ansatz aus, der bei der Frage der Verschiebung der Zeit verfolgt wird, der nichts mit der Frage zu tun hat“, und sagte An-Nahar, dass „die rein administrative Entscheidung das Ziel war.“

Im Libanon leben Menschen aus über 18 Religionsgemeinschaften zusammen. Bis zum Ende des Ramadan am 21. April wird es wohl eine christliche und eine muslimische Zeit geben.

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