Stark gestiegene Mieten: Wenn WG-Wohnen zum Luxus wird

Unter den hohen Mieten leiden insbesondere Auszubildende und Studierende. Die Bundesregierung will das leidige Problem mit einer Finanzspritze lindern.

Student schaut aus seinem Zimmer im Wohnheim

Teures Wohnen im Wohnheim – aber immer noch preiswerter als der freie Markt Foto: Sebastian Wells/OSTKREUZ

BERLIN taz | Sam Baraz ist früh aufgestanden. Gegen 8 Uhr morgens steht er vor einem Gebäude, das ein wenig an übereinandergestapelte Wellblechhütten erinnert. Der Komplex aus den 1960er Jahren, der unter Denkmalschutz steht, ist Teil des Studierendenwohnheims Siegmundshof im Berliner Hansaviertel. An diesem Donnerstag Ende März ist der Student Baraz mit dabei, um die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zu empfangen, die hier den Startschuss für das Bundesprogramm Junges Wohnen verkünden will.

Mit dem Förderprogramm soll bezahlbarer Wohnraum speziell für Auszubildende und Studierende geschaffen werden. Ein Problem, das bei jungen Menschen oft ganz oben auf der Sorgenliste steht. Denn ein bezahlbares Zimmer auf dem freien Markt zu finden, ist in vielen Städten mittlerweile so wahrscheinlich wie ein Goldtopf am Ende des Regenbogens.

Baraz weiß das sehr genau. Nicht nur, weil er selbst Student ist. Baraz ist auch Wohnheimtutor in Siegmundshof, er hilft Studierenden, die neu in die Stadt kommen, sich zurechtzufinden. Gerade vor Semesterbeginn meldeten sich viele verzweifelt, weil sie vor dem Unistart noch keine Wohnung gefunden haben, sagt er. Man versuche so gut es gehe zu helfen. Aber die reguläre Warteliste sei lang, sehr lang. Siegmundshof ist ein innerstädtisches Wohnheim, nicht weit entfernt von der Technischen Universität (TU), gut angebunden, schön gelegen zwischen der Spree und dem weitläufigen Tiergarten.

Als die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) pünktlich eintrudelt, wirkt sie gut gelaunt. Vielleicht deshalb, weil sie neben den sonstigen Regierungsstreitigkeiten einfach geräuschlos ein Häkchen an einen Punkt im Koalitionsvertrag machen kann. Geywitz hat einen Batzen Geld mitgebracht, zumindest symbolisch. In diesem Jahr soll es 500 Millionen Euro vom Bund für junges Wohnen geben. „Das ist im Baubereich eine große Summe“, erklärt Geywitz bei ihrem Besuch. Mit diesem Geld könne dringend benötigter Wohnraum für Auszubildende und Studierende neu geschaffen, aber auch saniert oder ausgebaut werden. Die Mittel werden den Bundesländern zur Verfügung gestellt.

Reichen die neuen Förderungen aus?

Wenn das Programm gut angenommen werde, wäre sie sogar bereit, die gleiche Summe im nächsten Jahr erneut zur Verfügung zu stellen, sagt Geywitz. Das sei gut investiertes Geld für junge Menschen, „die sich konzentrieren sollen auf ihre Ausbildung, die sich konzentrieren sollen auf ihr Studium, und nicht so sehr auf die Suche nach einer Wohnung“. Sichtlich begeistert ist der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl. „Das ist ein guter Tag für 2,9 Millionen Studierende“, sagt er und versichert: „Wir sind bereit. Wir können bauen auch zu den schwierigen Konditionen, die wir jetzt haben.“ Man brauche nur bessere Förderbedingungen. Und die sollen jetzt kommen.

Tatsächlich ist das Bauen derzeit besonders schwer. Durch den russischen Angriff auf die Ukraine und die Folgen weltweit sind die Bauzinsen hoch, die Energiekosten ebenso, Lieferketten sind teils unterbrochen, vom Fachkräftemangel ganz zu schweigen. Das Programm sei deshalb „ein wichtiger Meilenstein“. Es handele sich um das größte Förderprogramm im Bereich junges Wohnen seit der Wiedervereinigung.

Die Wohnungsnot betrifft natürlich nicht nur Berlin, sondern bundesweit viele Städte. Aber in der Hauptstadt ist die Lage besonders prekär. „In Berlin studieren traditionell sehr viele Neuberliner“, erklärt die Geschäftsführerin des Studierendenwerk Berlin, Petra Mai-Hartung, der „stetig steigende Anteil internationaler Studierender“ spiele dabei eine besondere Rolle. Hier habe man 9.000 Wohnheimplätze, aber man könne nur 5 Prozent der Wohnungssuchenden versorgen. Das sei „die niedrigste Versorgungsquote in ganz Deutschland“, so Mai-Hartung, die das Programm ebenfalls begrüßt.

Im Studierendenwerk Berlin gäbe es sogar fertige Neubaupläne in der Schublade, die bislang aber am Geld scheiterten. Dabei ist neuer, vor allem bezahlbarer Wohnraum zwingend nötig. Und es muss an vielen Orten auch saniert werden. Tutor Baraz, der an der TU Berlin Physik studiert, musste anderthalb Jahre auf seinen Wohnheimplatz warten. Er konnte die Wartezeit überbrücken, indem er weiter bei seinen Eltern lebte. Aber diese Option gibt es nicht für diejenigen, die für das Studium neu in eine Stadt ziehen müssen.

Wohnheim ist teuer, aber billiger als auf dem freien Markt

Manche kommen zunächst bei Bekannten unter, andere pendeln aus Vororten an die Uni oder bezahlen überteuerte Zimmer zur Zwischenmiete. Die Not ist so groß, dass ordentlich Profit gemacht werden kann. Das günstigste Zimmer im Wohnheim Siegmundshof kostet 292 Euro im Monat, Möbel, Internet, Nebenkosten inklusive. Bad und Küche separat. Das teuerste mit eigenem Bad kostet 492 Euro im Monat. Das ist viel Geld für junge Menschen. Aber verglichen mit den derzeitigen Preisen auf dem freien Markt immer noch deutlich besser.

Durch die Inflation steigen die Preise für WG-Zimmer in deutschen Hochschulstädten deutlich an, das belegt auch eine vor Kurzem veröffentlichte Untersuchung des Moses Mendelssohn Instituts, an der auch das Immobilienportal WG-Gesucht und die GBI Group beteiligt war. Ausgewertet wurden Angebote in 94 deutschen Hochschulstädten mit mindestens 5.000 Studierenden. Das Ergebnis: im Durchschnitt zahlen junge Menschen für ein WG-Zimmer 458 Euro im Monat. Innerhalb eines Jahres ist eine Steigerung von 10,6 Prozent zu verzeichnen. Aber regional gibt es große Unterschiede. Bei 37 von 94 Städten liegt die Steigerungsrate sogar deutlich über 10 Prozent.

Zum Beispiel müssen Berliner Studierende derzeit 640 Euro für eine Komplettmiete mit Nebenkosten zahlen. Ende 2021 waren es noch unter 495 Euro, also 145 Euro weniger. Rund eineinhalb Jahre später gibt es eine Steigerung von gut 29 Prozent. Berlin ist damit zur zweitteuersten Stadt aufgestiegen, nur in München zahlt man mit rund 720 Euro noch mehr für ein Zimmer. Für junge Menschen, die etwa Bafög beziehen, ist das ein Riesenproblem. Die Wohnkostenpauschale beträgt dort 360 Euro. In vielen Städten reicht das bei weitem nicht aus: In Hamburg zahlt man derzeit 570 Euro, in Mainz 485 Euro, in Freiburg 520 Euro.

In ostdeutschen Städten sind die Zimmerpreise zwar noch immer bezahlbarer, aber es sind auch hier innerhalb eines Jahres deutliche Preissteigerungen zu verzeichnen. In Erfurt etwa um 21,4 Prozent von 290 Euro auf 352 Euro. In Magdeburg um 20,1 Prozent von 273 auf 328 Euro. Oder in Leipzig um 17,2 Prozent von 311,50 auf 365 Euro. Geht dies so weiter, können Azubis und Studierende nur hoffen, dass neue Wohnheime entstehen und 2024 noch mal 500 Millionen Euro bereitgestellt werden.

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