Lieferdienste in Berlin: Revolte bei Wolt

Ku­rier­fah­re­r*in­nen von Wolt protestieren gegen einen Subunternehmer, der keinen Lohn gezahlt haben soll. Doch der ist vom Erdboden verschwunden.

Eine Raddemo von Wolt-Arbeiter*innen fährt auf der Oberbaumbrücke.

Dieses Mal haben die Wolt-Rider kein Essen, sondern Mahnungen im Gepäck Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Es ist eiskalt als sich die Fah­re­r*in­nen des Bringdienstes Wolt am Mittwochmorgen an der Karl-Marx-Straße in Neukölln versammeln. Die Rider, die im Auftrag eines Subunternehmens für Wolt essen ausgeliefert haben, erheben schwere Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber. Seit November sei ihnen kein Lohn gezahlt worden, sagen die die Protestierenden. Etwa 120 Ar­bei­te­r*in­nen seien betroffen, die Summe der ausstehenden Zahlungen belaufe sich mittlerweile auf insgesamt rund 100.000 Euro.

Rund 100.000 Euro Lohn soll das Unternehmen den Fah­re­r*in­nen schulden

Zum Protest erscheinen jedoch weit weniger Fahrer*innen. „Viele haben Angst, ihre Arbeit oder ihren Aufenthaltstitel zu verlieren, wenn sie Ärger machen“, erklärt sich Samee Ullah, die geringe Teil­neh­me­r*in­nenzahl. Er selbst arbeitet schon lange für Wolt und hat im vergangenen Jahr eine Veränderung der Geschäftspraxis beobachtet.

Seit der Konkurrenzdruck gestiegen sei, habe Wolt auf ein Subunternehmer-System umgestellt. „Wolt hat seit November niemanden mehr direkt eingestellt“, sagt Ullah. Stattdessen würden Be­wer­be­r*in­nen an verschiedene Adressen in Berlin verwiesen, wo sie Verträge mit den Subunternehmern, den sogenannten Fleetpartnern, abschließen sollen.

Eine solche Adresse sei der Handyladen „Mobile World“ an der Karl-Marx-Straße gewesen, so Ullah weiter. Viele der protestierenden Fah­re­r*in­nen hätten ihre Stammdaten dort abgegeben und daraufhin ihren Zugang zur Wolt Partner App und ihren Wolt Firmenausweis erhalten. Den Arbeitsvertrag würden sie später per E-Mail erhalten, habe es geheißen. „Der Vertrag kam aber nie“, so Ullah. Das bestätigen mehrere der betroffenen Fah­re­r*in­nen der taz.

Niemand will verantwortlich sein

Im Handyladen selbst will man mit Wolt nichts zu tun haben. Der Mann hinter dem Tresen gibt an, nie Fah­re­r*in­nen in dem Geschäft gesehen zu haben. Sein Chef sagt am Telefon, dass er mit Wolt schon lange nicht mehr zusammen arbeite. Warum vor seinem Laden protestiert würde, könne er nicht nachvollziehen. Wenn er mit den Ridern etwas zu tun gehabt hätte, müssten diese ja Verträge vorweisen können.

Nach einer kurzen Kundgebung fahren die Protestierenden mit dem Fahrrad zur Firmenzentrale von Wolt in der Stralauer Allee in Friedrichshain. Hier wollen sie mit ihrem Anwalt Martin Bechert Mahnungen für die ausstehenden Lohnzahlungen übergeben. Doch die Türen des Bürogebäudes bleiben geschlossen. Weder die Kurier*in­nen noch der Arbeitsrechtler können die Schreiben übergeben.

Bereits am vergangenen Freitag hab er versucht, die Mahnung zu übergeben, sagt Muhammad S., der lieber nicht mit seinem Nachnamen in der Zeitung stehen will. „Der Mann hinter dem Schalter hat mir gesagt, Wolt habe keinen Briefkasten“, so der Lieferfahrer.

Auch Shiveni Sherme berichtet von ungewöhnlichen Vorgängen bei Wolt. So sei ihr nach zwei Jahren und guten „Performance Ratings“ von einem Wolt-Mitarbeiter empfohlen worden zu kündigen und über einen Subunternehmer neu anzuheuern. Dadurch könne sie mehr als die elf Euro Mindestlohn verdienen, habe es geheißen. Bis März habe sie Aufträge über die Wolt App erhalten, sagt Sherme. Auch sie warte seit November auf ihren Lohn.

Zusammenarbeit mit Subunternehmer beendet

Fabio Adlassnigg, Pressesprecher von Wolt dementiert gegenüber der taz solche Vorgänge: „Selbstverständlich vermitteln wir keine Mit­ar­bei­te­r*in­nen an Subunternehmer“, so Adlassnigg. Vielmehr habe Wolt die eigene Flotte mit Mit­ar­bei­te­r*in­nen von kleineren Personaldienstleistern verstärkt. Bei dem fraglichen Unternehmen handele es sich um die GW Trans GmbH. Die Zusammenarbeit sei jedoch im Januar beendet worden, nachdem Unregelmäßigkeiten festgestellt worden seien. Alle Angestellten des Personaldienstleisters hätten Ende Januar ihren letzten Arbeitstag gehabt.

Bei der GW Trans GmbH mit Sitz in Hohenschönhausen und Registrierung in Mainz war für die taz niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die im Internet angegebene Telefonnummer führte zu einem Mann der angibt, die Firma bereits vor vier Jahren an „jemanden aus Berlin“ verkauft zu haben.

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