Internationaler Strafgerichtshof: Haftbefehl gegen Putin

Russlands Präsident wird für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht. Er habe die Entführung ukrainischer Kinder angeordnet.

Der russische Präsident Wladimir Putin sitzt auf einem Sessel

In 123 Ländern mit Haftbefehl gesucht: Der russische Präsident Wladimir Putin Foto: Sputnik/Kremlin/ap

FREIBURG taz | Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Ihm wird die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland vorgeworfen. Putin muss nun in weltweit 123 Staaten mit der Verhaftung rechnen.

Seit März 2022 ermittelt der britische IstGH-Chefankläger Karim Khan zur „Situation in der Ukraine“. Dabei blieben die Ermittlungen bisher offiziell neutral. Doch am 22. Februar 2023 beantragte Khan einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Diesem Antrag gab nun eine mit drei Rich­te­r:in­nen besetzte Vorprüfungskammer des Internationalen Strafgerichtshof statt.

Der Haftbefehl wird mit der rechtswidrigen Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland begründet. Nach dem römischen Statut, auf dem der IStGH gründet, gilt dies als Kriegsverbrechen. Putin sei – gemeinsam mit anderen – persönlich für das Verbrechen verantwortlich, so der Gerichtshof. Die ukrainische Regierung wirft Russland vor, dass 16.000 ukrainische Kinder aus den besetzten Gebieten nach Russland gebracht wurden.

Ein zweiter Haftbefehl richtet sich gegen Maria Lwowa-Belowa, die russische Beauftragte für Kinderrechte. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung organisiert sie die Verbringung der Kinder. Sie wirbt auch regelmäßig im Fernsehen dafür, dass russische Eltern die ukrainischen Kinder adoptieren sollen. Putin habe ergänzend hierzu im vergangenen Mai ein Dekret erlassen, um ukrainische Kinder schneller in Russland einbürgern zu können.

Erste Haftbefehle im Zusammenhang mit russischem Überfall

Wie die New York Times am Montag berichtete, wollte Chefermittler Khan den Haftbefehl gegen Putin auch noch auf einen zweiten Grund stützen: die gezielte Zerstörung ziviler Infrastruktur, etwa von Kraftwerken. Auch dies hätte als Kriegsverbrechen gegolten. Dieser Vorwurf wird jedoch in der am Freitag veröffentlichten Mitteilung des IStGH nicht erwähnt.

Der Haftbefehl gegen Putin und Lwowa-Belowa ist der erste bekannt gewordene Haftbefehl im Zusammenhang mit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Denkbar ist, dass es schon früher Haftbefehle gegen russische Verantwortliche gab, die aber geheim gehalten werden, um die Ermittlungen nicht zu stören. Im konkreten Fall hat sich der IStGH allerdings bewusst für eine Veröffentlichung entschieden, auch in der Hoffnung, dass die weitere Verschleppung von Kindern nun aufhöre.

Putin muss nun nicht unmittelbar mit einer Verhaftung rechnen – solange er sich in Russland aufhält oder in anderen Staaten, die das Römische Statut nicht unterzeichnet haben. Dazu zählen etwa China, Indien oder Weißrussland. Dagegen sind die 123 Unterzeichnerstaaten des IStGH-Statuts, inklusive aller EU-Staaten, nun verpflichtet, Putin festzunehmen, wenn er ihr Gebiet betritt. Der russische Präsident müsste dann an den IStGH nach Den Haag in den Niederlanden überstellt werden, wo er in Untersuchungshaft genommen würde. Die übliche völkerrechtliche Immunität für Staats-Chefs gilt vor dem IStGH nicht.

Der Haftbefehl war möglich, obwohl Russland das Römische Statut nicht unterzeichnet hat und daher eigentlich nicht an die entsprechenden Verpflichtungen gebunden ist. Allerdings fand das mutmaßliche Verbrechen auf ukrainischem Boden statt. Und die Ukraine hat sich in zwei Erklärungen von 2014 und 2015 der Rechtsprechung des IStGH für alle Verbrechen ab November 2013 unterworfen. Wegen dieser alten Erklärungen sind Ermittlungen gegen Putin möglich, obwohl auch die Ukraine das Römische Statut bisher nicht unterzeichnet hat.

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