Scharfe Kritik von der FDP: Kulturkampf um Demokratieförderung

Das Demokratiefördergesetz landet im Bundestag. Doch die FDP fordert eine Extremismusklausel, Grüne und SPD halten dagegen.

Familienministerin Lisa Paus bei einer Pressekonferenz

Stellt sich hinter das Demokratiefördergesetz und gegen eine Extremismusklausel: Lisa Paus Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Es ist eine entscheidende Wegmarke: Am Donnerstagabend will der Bundestag erstmals über das Demokratiefördergesetz diskutieren. Seit Jahren hatten zivilgesellschaftliche Initiativen das Gesetz eingefordert. Im Dezember legten Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) dann einen Gesetzentwurf vor.

Alles auf dem Weg also? Nicht ganz. Denn die praktische Ausgestaltung des Gesetzes bleibt weiter offen. Und die mitregierende FDP fordert schon jetzt Nachbesserungen. Mit dem Gesetz sollen zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Extremismus und für Demokratie einsetzen, nun auch langfristig vom Bund gefördert werden. Bisher galt dies immer nur für eine Legislaturperiode. Die Projekte mussten dann mit veränderten Konzepten neue Anträge stellen – und jedes Mal um ihre Finanzierung bangen.

Paus und Faeser hatten dagegen die Wichtigkeit dieser Demokratiearbeit betont, gerade in Krisenzeiten, die auch Extremisten zu nutzen versuchten. Welche Projekte am Ende aber eine langfristige Förderung bekommen, bleibt weiter unklar. Das regeln Förderrichtlinien, die bislang nicht vorliegen. Und vermutlich wird dies auch noch eine Weile dauern. Das Familienministerium sagte der taz, erst müsse das Gesetz in Kraft treten, dann könnten die Förderrichtlinien erarbeitet werden. Mit einem Entwurf für die Richtlinien sei somit erst Anfang 2024 zu rechnen, eine langfristige Förderung der Initiativen wäre dann ab 2025 möglich.

FDP attackiert Meldestelle Antifeminismus

Doch schon jetzt will die FDP Nachbesserungen an dem Gesetz. Und springt dafür etwa auf eine aktuelle Kampagne gegen die Meldestelle Antifeminismus der Amadeu Antonio Stiftung auf, die sexistische Vorfälle sammelt. Die Stiftung wird derzeit vom Bund gefördert. FDP-Vizechefin Linda Teuteberg kritisiert, es sei nicht Aufgabe des Staates, „legitime und verfassungsgemäße Meinungen über die Förderung entsprechender NGOs zu bekämpfen und Bürger etwa für eine Ablehnung des Genderns an den Pranger zu stellen.“

Es ist ein Vorwurf, den die Stiftung zurückweist: Die Meldestelle dokumentiere keine Meinungen, sondern antifeministische Vorfälle. Und auch Paus’ Ministerium betont, dass die Meldestelle nicht zum Denunzieren aufrufe, sondern „für Betroffene von Hass gegen Frauen“ da sei. Alle Fälle würden anonymisiert.

Neben der FDP attackieren auch CDU und AfD das Projekt. Die FDP fordert nun engere Grenzen im Demokratiefördergesetz, welche Projekte gefördert werden können. Zudem will die Partei die Wiedereinführung einer Extremismusklausel. Die gab es schon einmal unter CDU-Familienministerin Kristina Schröder und verpflichtete Initiativen, sich schriftlich zum Grundgesetz zu bekennen. Weil die Projekte einen Generalverdacht beklagten, wurde die Klausel später wieder abgeschafft.

Der FDP-Abgeordnete Martin Gassner-Herz pocht dagegen auf die Klausel. „Natürlich können nur echte, glühende Grundgesetzfans Demokratieförderung umsetzen und dafür staatliche Förderung erhalten“, sagte er der taz. „Ich verstehe an dieser Stelle die Aufregung nicht.“ Gerade angesichts des jüngsten Verfassungsgerichtsurteils zur Finanzierung politischer Stiftungen brauche es „sorgfältige Formulierungen im Gesetz“.

Paus lehnt eine Extremismusklausel ab

Paus dagegen lehnt eine Extremismusklausel weiterhin ab. Bereits heute gelte, dass die Projekte auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen müssten und staatliche Fördermittel „nicht für extremistische Zwecke missbräuchlich verwenden dürfen“, sagte ihre Sprecherin der taz. Dies werde durch ein „bewährtes“ und zwischen dem Innen- und Familienministerium abgestimmtes Verfahren abgesichert.

Auch die SPD weist den FDP-Vorstoß zurück. „Dass den Initiativen immer wieder vorgeworfen wird, sie stünden nicht auf dem Boden der Verfassung, ist unredlich und hanebüchen“, sagte die SPD-Abgeordnete Elisabeth Kaiser der taz. „Sie leisten seit vielen Jahren ungemein wertvolle Arbeit für mehr demokratische Teilhabe, politische Bildung und Prävention.“ Die Wiedereinführung der Extremismusklausel wäre daher „eine Rolle rückwärts und auch rechtlich höchst fraglich“. Und Kaiser verteidigt zudem, dass sich das Demokratiefördergesetz für Pluralismus einsetzen will. „Es geht darum, mehr Teilhabe zu schaffen und auch das Engagement etwa von migrantischen oder queeren Initiativen zu fördern, die im öffentlichen Diskurs wenig vertreten sind.“

Kritik kommt auch von der Grünen-Abgeordneten Schahina Gambir. Es sei „ein großer Erfolg“, dass sich die Ampel zu einer progressiven Gesellschaftspolitik und einem Demokratiefördergesetz verpflichtet habe, so Gambir zur taz. Eine Extremismusklausel sei dabei ein „überkommener Ansatz“ und „aus gutem Grund“ nicht von der Koalition vereinbart worden. „Wir wollen die Arbeit der Zivilgesellschaft stärken und nicht durch eine untaugliche Klausel und einen implizierten Generalverdacht behindern.“ Gambir wie Kaiser betonen zudem, dass der Gesetzentwurf eine Verfassungstreue der geförderten Projekte bereits gewährleiste.

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, zeigte sich ebenso irritiert über die Vorwürfe. „Die Debatte um das Demokratiefördergesetz dient mittlerweile zur identitätspolitischen Profilierung und wächst sich zu einem Kulturkampf aus, der am Ende nur bei der AfD einzahlt“, kritisierte er. Die Initiativen müssten nun einen „Generalverdacht“ gegen ihr Engagement abwehren. Dabei gehe es doch eigentlich um etwas ganz anderes, so Reinfrank: die Unterstützung der Engagierten gegen Rechtsextremismus.

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