Brandanschlag auf Geflüchtete in Pankow: Mordkommission ermittelt

Nach dem tödlichen Brandanschlag auf Geflüchtete in Berlin-Pankow im Januar: Linken-Politiker Koçak fordert die Fokussierung auf ein rechtes Tatmotiv.

Die Feuerwehr steht mit Einsatzwagen vor einem Haus in Berlin. Der Bereich ist abgesperrt.

Beim Brand Ende Januar starb eine 43-jährige Syrerin. Nun wird wegen Mord ermittelt Foto: dpa

BERLIN taz | Nach dem schweren Brandanschlag, an dessen Folgen eine mehrfache syrische Mutter in Pankow starb, hat die 3. Mordkommission der Berliner Polizei mittlerweile die Ermittlungen übernommen. Ende Januar verübten eine oder mehrere unbekannte Personen einen Brandanschlag auf ein Haus in Französisch-Buchholz im Bezirk Pankow, das als Unterkunft für viele Geflüchtete dient.

Zuvor war lediglich bekannt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft wegen schwerer Brandstiftung mit Todesfolge ermitteln. Seit dem 22. Februar steht nun der Verdacht wegen Mordes und versuchten Mordes offiziell im Fokus von Staatsanwaltschaft und Polizei. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Linken-Politikers Ferat Koçak zum Fall hervor. Auch die Morgenpost berichtete bereits auf Basis der Anfrage, dass sich die Hinweise auf Brandstiftung verdichtet haben.

Die Antwort enthält auch Details zum Brandhergang: Am späten Nachmittag des 25. Januar brach der Brand an einem unter den Briefkästen abgestellten Kinderwagen aus. Zwei Türen gerieten in Vollbrand, dichter Rauch verbreitete sich im Treppenhaus. Nachdem wegen Hilferufen einige Be­woh­ne­r*in­nen Türen zum Hausflur öffneten, drang Rauch auch in Wohnbereiche ein.

Dadurch kam es zu Rauchvergiftungen – zwei Personen wurden von der Feuerwehr bei der anschließenden Evakuierung ins Krankenhaus gebracht. Die 43-jährige Syrerin verstarb am 10. Februar infolge einer Rauchvergiftung. Ermittlungen hätten mittlerweile Hinweise auf die Verwendung eines Brandbeschleunigers ergeben. Spuren würden derzeit kriminaltechnisch untersucht. Weitergehende Angaben zum Tathergang könnten aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht gemacht werden.

Motiv laut Er­mitt­le­r*in­nen weiter offen

Es werde dabei weiter in alle Richtungen ermittelt. Bezüglich eines rechten Tatmotives heißt es: „Konkrete Hinweise auf einen politischen Hintergrund der Tat liegen bislang nicht vor.“ Zwar schließen die Ermittlungsbehörden ein rechtes Motiv nicht aus, aber dass die Opfer Geflüchtete sind, scheint der Polizei offenbar nicht Hinweis genug zu sein, um daraus eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein rechtes Tatmotiv abzuleiten. Aber weil die Betroffenen Geflüchtete sind, hat es laut Ermittlungsbehörden seit Beginn der Ermittlungen immerhin „engen Austausch“ mit der Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamts gegeben.

Koçak fordert einen besonderen Fokus auf ein mögliches rechtes Tatmotiv. Er sagte am Montag: „Alles deutet darauf hin, dass der schreckliche Tod einer syrischen Frau die Folge einer gezielten Brandstiftung gegen Geflüchtete ist.“ Man wisse aus schmerzlicher Erfahrung mit dem NSU-Komplex, „dass die Polizei in ihren Ermittlungen rechte politische Tathintergründe häufig außer Acht lässt und damit Aufklärung verhindert“. Staatliche Behörden trügen die Verantwortung, ihr vielfaches Versagen in der Vergangenheit nicht zu wiederholen, forderte der Abgeordnete. Koçak ist selbst Opfer eines Brandanschlags in der rechtsextremen Terrorserie im Neukölln-Komplex geworden, der wie viele Taten der Serie bis heute nicht aufgeklärt ist.

Koçak verwies darauf, dass 2022 die Anzahl der Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte deutlich angestiegen seien. Auch 2023 seien bereits zahlreiche Berichte von Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte an die Öffentlichkeit gelangt. Es gebe im örtlichen Umfeld des Brandortes eine aktive rechte Szene, so Koçak: „Wenn in Deutschland wieder Geflüchtetenunterkünfte brennen, können wir nicht wegschauen.“ Man müsse alles tun, um die Opfer rechter und rassistischer Gewalt zu unterstützen und zu schützen.

Die Be­woh­ne­r*in­nen haben die Unterkunft mittlerweile wieder bezogen. Für die Unterbringung sind unterschiedliche Bezirke zuständig. Über eine mögliche Verlegung entschieden diese in eigenem Ermessen.

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