Forderung nach NSU-Ausschuss in Hamburg: Zu viele offene Fragen

Grüne und Linke wollen, dass Hamburg doch noch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden einrichtet. Die SPD steht weiter quer.

Ein Bild des NSU Mordopfers Süleyman Tasköprü steht an eine Mauer gelehnt auf dem Asphalt. Davor liegen Rosen.

Gedenken an NSU-Opfer Süleyman Taşköprü bei einer Demo gegen das Vergessen 2012 in Hamburg Foto: dpa | Axel Heimken

Sie haben eine selbst erklärte antifaschistische Tradition, nach der sie selbstverständlich auch handeln würden: Doch in Hamburg weigern sich SPD und Grüne bislang beharrlich, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) wegen der Ermordung des Hamburgers Süleyman Taşköprü durch den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) einzusetzen. Doch nun scheint immerhin bei den Grünen Bewegung zu kommen: Sie erhöhen den Druck auf ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner. In Gesprächen mit der SPD soll die Grünen-Fraktion um Jenny Jasberg mittlerweile auf eine parlamentarischen Aufarbeitung pochen.

Seit dem zufälligen Auffliegen des NSU-Kerntrios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 2011 ist Hamburg das einzige Bundesland, indem das Trio mordete – und wo im Nachgang kein PUA eingerichtet wurde. So ist es kaum verwunderlich, dass immer wieder zivilgesellschaftliche Initiativen ihre Kritik an dieser Ablehnung besonders an die seit 2015 mitregierenden Grünen adressieren: So gibt es etwa einen Beschluss der grünen Landesmitgliederversammlung von 2021, der bemängelt, dass es lediglich einen Selbstaufklärungsbericht der Hamburger Polizei und des Landesamtes für Verfassungsschutz gibt, der jedoch viele Fragen offen ließe. Ein PUA sei deshalb notwendig, befand die Landesmitgliederversammlung.

Dass es dazu immer noch nicht gekommen ist, lastet die Grünen-Fraktion der SPD an. Die sieht jedoch keine offenen Fragen mehr und glaubt auch nicht, mit einem PUA neue Antworten finden zu können. „In Hamburg haben wir den NSU-Komplex im parlamentarischen Kontrollgremium in 15 Sitzungen und im Innenausschuss der Bürgerschaft mit 10 Sitzungen intensiv aufgearbeitet“, sagt Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Das hatte Innensenator Andy Grote (SPD) auch in Gesprächen mit den Grünen betont.

Podiumsdiskussion PUA JETZT!, Donnerstag, 30. März, Aula der Max Brauer Schule, Altona, Bei der Paul-Gerhardt-Kirche 1 – 3, 19 – 21 Uhr.

Hinzu seien, so Schumacher gegenüber der taz, alle relevanten Hamburger Akten den Untersuchungsausschüssen in den anderen Bundesländern zu Verfügung gestellt worden. Und: Die Zeug*innen, die helfen könnten, offene Fragen noch zu beantworten, würden sich bislang in Schweigen hüllen. „Es ist leider nicht davon auszugehen, dass dies bei einem PUA in Hamburg anders wäre“, sagt Schumacher.

Die Grünen sehen das jedoch anders: Aus den Erkenntnissen anderer Untersuchungsausschüsse hätten sich auch für Hamburg neue Fragen ergeben, etwa hinsichtlich der möglichen Vernetzung des NSU-Trios mit der rechten Szene in Hamburg oder über Fehlverhalten der Ermittelnden bei der Aufklärung des Mordes an Taşköprü, der im Juni 2001 am hellichten Tag erschossen worden war.

Die Linke erhöht nun ebenso den Druck auf die SPD. In Kürze will die Linksfraktion in der Bürgerschaft die Einrichtung des PUA beantragen. Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, sagt, dass das Fehlen eines PUA in Hamburg „ein Schlag ins Gesicht aller Opfer rechter Gewalt“ sei.

Schließlich sei das Versagen in Hamburg im Zusammenhang mit dem NSU ein doppeltes: Erst versagten die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung des Mordes an Taşköprü – lange Zeit dachten sie, das Opfer sei in kriminelle Machenschaften verwickelt und Opfer eines Racheaktes geworden. Und nun versagt Hamburg erneut, indem es Aufklärung verweigert.

Ob die Hamburger SPD noch mal ihre Meinung ändern wird, ist bislang offen. Immerhin diskutieren Jasberg, Celik sowie Felix Krebs, Mitglied im Hamburger Bündnis gegen Rechts, über die Einsetzung des PUA öffentlich mit Kazim Abaci, SPD-Fraktionssprecher für Migration, Integration und Geflüchtete – am 30. März ab 19 Uhr in der Max-Brauer-Schule.

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Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).

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