EU-Reaktion zum deutschen Veto: (K)Ein Super-Veto

Der deutsche Einspruch gegen das Aus von Verbrennern hat bei EU-Staaten für Furor gesorgt. Schlimmer als die Klimaschäden ist der Vertrauensbruch.

Portrait

Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag in Brüssel Foto: Geert Vanden Wijngaert/ap

Der Verbrenner-Streit sollte vor dem EU-Gipfel gelöst werden. Nun hat er das zweitägige Spitzentreffen in Brüssel überschattet und Kanzler Olaf Scholz beschädigt. Selbst wenn doch noch in letzter Minute ein Kompromiss gefunden werden sollte, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck hofft: Der Schaden ist angerichtet, Scholz steht vor einem europapolitischen Trümmerhaufen.

Wie groß der Ärger ist, hat EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola deutlich gemacht. In einem Brandbrief, der nicht zufällig am Rande des EU-Gipfels bekannt wurde, geht sie Scholz frontal an. „Die Entscheidung, den Gesetzgebungsprozess zu dem vereinbarten Text zu verzögern, unterminiert die Glaubwürdigkeit des gesamten legislativen Prozesses auf EU-Ebene“, heißt es da. Das sieht man nicht nur im Europaparlament so.

Auch im Rat, der Vertretung der 27 EU-Staaten, herrscht das blanke Entsetzen. Deutschland hatte die Entscheidung über das für 2035 geplante Verbot von Verbrennungsmotoren für Neuwagen kurz vor der letzten und entscheidenden Abstimmung im Rat gestoppt. So etwas gab es noch nie.

Der schwedische EU-Vorsitz musste eine Vollbremsung vollziehen, nur weil es die FDP – und Scholz – so wollten. Frankreich und die Mehrheit der 27 Mitgliedstaaten protestierten – vergeblich. Italien und einige andere Länder nutzten die Zwangspause, um neue Forderungen zugunsten der Autoindustrie vorzubringen.

Schlimmer ist das Signal, das Scholz an die EU sendet

Plötzlich geht es nicht mehr nur um das Verbrenner-Aus, sondern auch um die neue Abgasnorm Euro-7. Der mühsam gefundene Konsens beim Klimaschutz wackelt, die Autolobby verspürt Aufwind. Und das alles nur wegen synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels, die die FDP mit aller Gewalt durchboxen möchte? Man fasst sich an den Kopf.

Doch nicht nur der Schaden für die Klimapolitik ist enorm. Fast noch schlimmer ist das Signal an die Partner in der EU. Scholz hat sich eine Art Super-Veto angemaßt, das es im europäischen Recht nicht gibt. Damit hat er die deutsche Glaubwürdigkeit erschüttert – und ein verdammt schlechtes Beispiel gegeben.

Künftig werden auch andere Länder versuchen, EU-Gesetze in letzter Minute zu stoppen. Zudem dürfte der Widerstand gegen eine Abschaffung des Vetorechts etwa in der Außenpolitik noch größer werden. Wieso sollen kleine EU-Länder auf ihr Veto verzichten, wenn sich Deutschland ein nirgendwo verbrieftes Super-Veto genehmigt? Scholz hat einen erheblichen Flurschaden angerichtet. Er wird noch nachwirken, wenn der Streit über die FDP und ihre E-Fuels längst vergessen ist.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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