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: „Es ist sehr viel Trauer in diesen Videos“

Was macht der Krieg mit den Menschen – und was mit der Kunst? Drei Tage „#Ukraine. How does it feel?“ in Hamburg

Interview Wilfried Hippen

taz: Michael Kress, auf der Hamburger Veddel, einem zentralen, lange vernachlässigten ehemaligen Arbeiter*innenstadtteil, würde man nicht unbedingt zeitgenössische Kunst erwarten.

Michael Kress: Wir haben hier ein Ladenlokal mit viel Ausstellungsflächen und Schaufensterauslagen sowie eine Küche und zwei Zimmer für internationale Gäste. Und weil wir direkt gegenüber vom einzigen Supermarkt liegen, laufen immer sehr viele Leute vorbei. Wenn wir eine Ausstellung machen, stelle ich mich vor die Tür und locke die Leute rein – wie man das auf der Reeperbahn macht. Manchmal bleiben dann auch welche eine Stunde da und sagen dann: „Das war aber interessant.“

Nun zeigen Sie ein Programm mit Videos von zehn ukrainischen Künstler*innen. Was genau gibt es zu sehen?

Die Bandbreite geht von Performances bis zu dokumentarischen Aufnahmen. Es gibt inszenierte Sequenzen, die fast theatralisch wirken, aber auch Landschaftsanmutungen. Die sind nicht romantisch, sondern zeigen die Zerstörung. Es ist sehr viel Trauer in diesen Videos.

Schon das „How does it feel?“ im Titel deutet ja an, dass da keine journalistischen Arbeiten anstehen.

Nein, ich glaube Kunst kann etwas transportieren, wie das mit Nachrichtenbildern nicht gelingt: Es geht darum, was dieser Krieg mit den Menschen macht. Die Kuratorin des Programms, Yevheniia Havrylenko, macht dies deutlich, wenn sie von sich sagt, sie habe sich jetzt ein Jahr lang verboten, Russisch zu sprechen, obwohl ihre Familie im Osten der Ukraine lebt.

Foto: privat

Michael Kress

59, ist Kon-zeptkünstler in Hamburg. 2015 initiierte er die Kooperative Art-Space „Hyper Cultural Passengers“.

Wie ist es zu dem Projekt gekommen?

Die Verbindung kam durch unseren Kooperationspartner, den Deutschen Künstlerbund zustande: Der hat schon sehr bald nach der russischen Invasion begonnen, sich mit Künst­le­r*in­nen aus der Ukraine zu vernetzen um ihnen eine Stimme jenseits von Nachrichten und Politik zu geben. Unser Verein „Hyper Cultural Passengers“ hat vor über zehn Jahren einen Austausch mit internationalen Künst­le­r*in­nen begonnen, und ich selbst habe als Künstler eine große Affinität zur Videokunst.

Heute Abend zeigen Sie Videos, aber die Veranstaltung geht noch weiter. Was passiert Freitag und Sonntag?

Am Freitag wird es einen Workshop mit Künst­le­r*in­nen und Stu­den­t*in­nen geben, auf dem wir erörtern werden, wie Bilder eines realen Krieges aus der Sicht der Kunst rezipiert werden und wie dabei eine Ohnmacht der Realität gegenüber deutlich wird.

Also eine Analyse des Videoprogramms?

Filmprogramm: Do, 23. 3., 19 Uhr

Workshop für Künstler­*innen: Fr, 24. 3., 15–18 Uhr

Co-Cooking: So, 26. 3., 15–20 Uhr; Hyper Cultural Passengers e. V., Hamburg, Sieldeich 36

Es geht darüber hinaus, die Videos anzugucken und dann eine Erklärung zu bekommen. Es geht darum zu lernen, wie man mit diesen Bildern umgeht. Mit solchen drastischen Bildrealitäten hatte ich als Künstler bisher noch nie zu tun. Und ich setze mich damit ja auch nur medial, also mittelbar auseinander. Wenn die Kuratorin über diese Arbeiten redet, geht es dabei nicht wie bei uns um theoretische Reflektionen, sondern sie spricht direkt von ihren schmerzlichen Erfahrungen. Sie wird dort auch eine Hommage an einen ukrainischen Künstler zeigen, der im Krieg gestorben ist.

Der Sonntag dann ist „Co-Cooking – ­Veddel meets Ukraine“ überschrieben.

Das gemeinsame Essen ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit im Stadtteil Wir sind hier seit 2019 und versuchen als Kunstort mit der Nachbarschaft zusammenzukommen – da ist das Kochen immer eine tolle Brücke.