Abfall in Nigeria: Das Müllgeschäft ­in der Megacity

Lagos ist Afrikas größte Stadt, es gibt Unmengen von Müll, aber keine funktionierende Müllabfuhr. Daraus ist ein blühendes Geschäft geworden.

Müllsammlerin in Lagos sitzt zwischen Plasitiksäcken und hält eine Schere in der Hand

Auf dem Wertstoffhof von Mariam Abass wird das Plastik noch per Hand getrennt Foto: Katrin Gänsler

LAGOS taz | Heute sind die riesigen Säcke mit kleinen Plastik- und Papierstreifen an der Reihe. Auf einem Hinterhof im Norden von Lagos stehen sie unter einem Wellblechdach, damit sie beim nächsten Regen nicht nass werden. Johnson Eke überprüft, dass beide recycelbaren Stoffe in verschiedenen Säcken gelandet sind. Er trägt eine schwarze Basecap, Jeans und T-Shirt. Dass er Müllsammler ist, sieht man ihm nicht an. „Wir sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft, tragen zum Umweltschutz bei und sorgen dafür, dass Lagos heute aufgeräumter ist“, sagt er selbstbewusst.

Täglich holen Müll­samm­le­r*in­nen in der Megacity mit 20 Millionen Einwohnern Plastik aus Gräben, bitten in Privathaushalten um Altpapier und kaufen kleinen Unternehmen Abfälle ab. Wie viele es sind, weiß niemand genau. Die Vereinigung der Müllsammler im Bundesstaat Lagos (ASWOL), die ihren Sitz auf diesem Hinterhof hat, zählt 3.700 Mitglieder. Vor zwei Jahren sagte der Gouverneur von Lagos, Babajide Sanwo-Olu, der soeben wiedergewählt worden ist, die staatliche Abfallbehörde Lawma habe im Bundesstaat Lagos 30.000 Arbeitsplätze geschaffen.

Riesige Mengen fallen täglich an: 12 bis 15 Tonnen, lauten Schätzungen. Etwa ein Sechstel davon ist Plastikmüll. Müll ist bis heute in Lagos überall. Im öffentlichen Raum gibt es bis heute kaum Abfalleimer und schon gar keine regelmäßige Müllabfuhr.

Während in wohlhabenden Gegenden vor allem PET-Wasserflaschen anfallen, sind es in dicht besiedelten, ärmlichen Stadtteilen vor allem Softdrink-Flaschen sowie verschiedene Arten von Tüte. Die durchsichtigen festen sind für Trinkwasser – „Pure Water“ ist der Ruf der Straßenverkäufer, die damit durch die staugeplagten Straßen ziehen. In die hauchdünnen schwarzen Plastikbeutel – „Nylon“ genannt – kommt alles vom fertigen Essen bis hin zu Markteinkäufen. Und es gibt immer mehr Styroporboxen.

Ein Unternehmen bringt per App Müllsammler*innen, Privathaushalte und Unternehmen zusammen

Auf die Frage, ob Müll schlichtweg besser vermieden werden könnte, schmunzelt Adeleye Odebunmi. „Ich war vor einiger Zeit in Großbritannien und sollte in einem Supermarkt Geld für eine Plastiktüte zahlen. Es hieß, so wolle man zusätzlichen Müll vermeiden. Ein solches System würde in Nigeria aber nicht funktionieren“, sagt der Gründer von Pakam.

Müllsammeln per App

Nigerias Regierungspartei bleibt in Lagos an der Macht: Bei den Wahlen auf Bundesstaatsebene in Nigeria am 18. März hat die Regierungspartei APC (All Peoples Congress) Lagos erneut gewonnen. APC-Provinzgouverneur Babajide Sanwo-Olu wurde wiedergewählt, erklärte die Wahlkommission am Montagabend.

Proteste in mehreren Bundesstaaten: In den Bundesstaaten Adamawa, Abia und Enugu hat die Wahlkommission die Bekanntgabe der Wahlergebnisse nach teils massiven Protesten ausgesetzt.

EU-Beobachter skeptisch: Die EU-Wahlbeobachtermission in Nigeria hat den Ablauf bei den Bundesstaatswahlen bemängelt. „Es gab zahlreiche Behinderungen des Volkswillens“, sagte am Dienstag Beobachterchef Barry Andrews.

Sein Unternehmen bringt per App Müllsammler*innen, Privathaushalte und Unternehmen zusammen. Per Klick lässt sich auswählen, wann und wo Plastikmüll abgeholt werden soll. So lassen sich Fahrten planen, und Ver­brau­che­r*in­nen haben die Sicherheit, dass eine zuverlässige Person die Abfälle abholt und kein Dieb. Auch die Bezahlung läuft virtuell. Wer Recycelbares abgibt, erhält dafür Geld.

„Zuvor stand eher der sozia­le Aspekt im Vordergrund. Die wenigen Unternehmen taten so, als ob sie den Menschen einen Gefallen tun würden“, so Odebunmi. Heute ist klar: Mit Müll lassen sich in Nigeria und vor allem in der Megametropole Lagos Millionen verdienen.

Manche Müll­samm­le­r*in­nen verdienen umgerechnet über 500 Euro im Monat. Das ist weit mehr, als Putzfrauen oder Fahrer bekommen, und es wertet den Job extrem auf, sagt Johnson Eke, der früher Ventilatoren und Kühlschränke repariert hat.

In den vergangenen Monaten hat jedoch die Bargeldknappheit durch die misslungene Ausgabe neuer Naira-Geldscheine auch diesen Geschäftszweig ausgebremst. „Es liegt am Boden“, sagt Mariam Abass. Vor gut einem Jahr hat sie eine Sammelstelle für wiederverwertbaren Müll eröffnet. Zuvor war sie Hausfrau.

Doch nach dem Tod ihres Mannes musste sie einen Job finden. Heute kauft sie Firmen Plastiktüten ab, lässt sie hier auswaschen und verkauft sie dann an Recyclingbetriebe. Gerade bei kleinen Mengen sind die Gewinne marginal, da der Transport oft teuer ist. Auch fehlt es an einer Müllpresse. Die Tüten werden noch per Hand gewaschen, und manchmal müssen sie auch auseinandergeschnitten werden. Dafür sind an diesem Morgen drei Mitarbeiterinnen zuständig.

Mariam Abass ist zuversichtlich: Müll ist ein gutes Geschäft. „Die Notwendigkeit zum Recycling ist auf jeden Fall da.“

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