Betrugsvorwürfe gegen Nordakademie-Prof: Unter Druck

Der Nordakademie-Professor Henrique Schneider bestreitet die Vorwürfe, er habe plagiiert und mit Titeln betrogen. Erledigt ist die Sache damit nicht.

Portraitfoto von Henrique Schneider

Unter Druck: Volkswirtschafts-Professor Henrique Schneider Foto: SGV

OSNABRÜCK taz | Wer auf der Website der „Nordakademie“, einer privaten Wirtschafts-Fachhochschule im schleswig-holsteinischen Elmshorn, nach Henrique Schneider sucht, denkt auf den ersten Blick: eindrucksvoll. Der Volkswirtschafts-Dozent wird hier als „Prof. Dr.“ präsentiert. In der Schweiz, in China und den USA habe er studiert. Neben Aufsichtsratsmandaten sei er „an Unternehmen in Asien und Südamerika beteiligt“. Und dann werden Schneiders zahlreiche Forschungsschwerpunkte gelistet, darunter: „Geschichte und Ausprägungen des ökonomischen Liberalismus“.

Liberalismus: gutes Stichwort. Denn wenn die Vorwürfe stimmen, die Plagiats-, Titel- und Gutachtenprüfer Stefan Weber erhebt, Medien- und Kommunikationswissenschaftler, Lektor an der TU Wien und der Universität Wien, hat Schneider sich große Freiheiten erlaubt.

In seinem „Blog für wissenschaftliche Redlichkeit“ bezeichnet Weber den Elmshorner Dozenten als „einen (hoffentlich!) einmaligen Fall“. In seinem Gutachten spricht Weber von einem „begründeten Verdacht“ auf „serienmäßiges Plagiieren“, das „unbefugte Verwenden von Titeln bzw. Berufsbezeichnungen“. Schneider sei nie, wie behauptet, Professor an den Universitäten Wien und Graz gewesen. Seine Dissertation von 2015 sei „höchst problematisch“.

Schneider wehrt sich dagegen. „Ich bestreite die Vorwürfe“, sagt er der taz. „Der Gutachter hat in verschiedenen Textstellen die Quellen nicht berücksichtigt. In einer Stellungnahme bin ich Vorwürfen nachgegangen und entgegne sie einzeln.“ Von der taz nach seinen akademischen Graden gefragt, zählt er auf: M.A., Fernuniversität Hagen, Dr. phil., Universität Graz, und schließlich: „Mit Bestehen der Probezeit wurde ich Professor an der Nordakademie und darf den Titel für die Verwendungsdauer dort tragen.“ Eine Habilitation dazu gibt es also nicht.

Viele offene Fragen

Wer in Schneiders Vergangenheit gräbt, und das haben vom Spiegel bis zur Neuen Zürcher Zeitung mittlerweile viele getan, stößt auf Fragen. Zum Beispiel: Stimmt das eigentlich, mit den vielen Studienorten? Und: Welche Firmen leitet Schneider denn nun eigentlich?

Schneider steht also unter Druck. Im Juli soll er Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) werden, seit 2015 ist er dort Vize. Der Vorstand des SGV habe entschieden, „die Vorwürfe extern vor meinem geplanten Amtsantritt überprüfen zu lassen“, räumt der designierte Direktor ein.

Auch bei der Nordakademie könnte es für Schneider ungemütlich werden. Reputationsvorwürfe seien „unmittelbar mit dem Ruf der Hochschule verknüpft“, schreibt die Hochschulleitung in einer Pressemitteilung. Nachweisliches Fehlverhalten werde von der Akademie nicht geduldet. Schneider sei derzeit in keine Vorlesungsverpflichtungen eingebunden.

Und dann ist da noch die Politik. Wer Schneider in einer Live-Diskussion der AfD Mitte 2021 abwertend über „linke“ Bildung sprechen hörte, den wundert es nicht, dass er auch im Liechtensteiner Pragmaticus schreibt und sich dort bei den „Experten“ listen lässt, auf die das Blatt gegen einen vermeintlichen „Meinungs- oder gar Erregungsjournalismus“ setzt, als Garanten für „Faktentreue“ und „Glaubwürdigkeit“. Für seinen eigenen Lebenslauf scheint Schneider allerdings kein Experte zu sein.

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