Arbeitsbedingungen an Hochschulen: Bildungsministerium rudert zurück

Die Reformpläne zu Befristungen in der Wissenschaft stoßen auf heftige Kritik. Das Bundesbildungsministerium will die Pläne nun nochmal debattieren.

Eine Brille mit schwarzem Gestell liegt auf einem Stapel Bücher

Die Arbeitsbedingungen an den Unis haben sich für Post-Docs nach dem Entwurf verschlimmbessert Foto: Heiko Küverling/picture alliance

BERLIN taz | Dass die Proteste so schnell Wirkung zeigen, dürfte wohl selbst die Beteiligten überraschen. Am Freitag hatte das Bundesbildungsministerium (BMBF) seine Pläne vorgestellt, wie es die Arbeitsbedingungen für Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­r:in­nen verbessern möchte – und damit für große Aufregung in den sozialen Medien gesorgt. Am Sonntagabend dann zog das Ministerium die Reißleine.

Gleich zwei Staats­se­kre­tä­r:in­nen aus dem BMBF kündigten auf Twitter an, die Pläne debattieren zu wollen – zwei Tage nachdem sie vorgestellt worden waren. Die vorgelegten Eckpunkte hätten eine Diskussion ausgelöst, „die wir sehr ernst nehmen“, schrieb Jens Brandenburg. „Umso wichtiger ist uns, diese Frage vor Fertigstellung des Referentenentwurfs noch einmal zu debattieren. Wir werden kurzfristig dazu einladen.“

Amtskollegin Sabine Döring teilte mit, dass die Eckpunkte „zurück in die Montagehalle“ gehen werden. Am Montag bestätigte ein Sprecher des Ministeriums, dass es eine neue Beratung zum Referentenentwurf geben werde.

Besonders umstritten ist, wie lange Wis­sen­schaft­le­r:in­nen befristet angestellt sein dürfen. Die bisherige Regel erlaubt sechs Jahre vor und nach der Promotion. Diese arbeitsrechtliche Besonderheit geht auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) aus dem Jahr 2007 zurück.

Ampel will helfen

Kri­ti­ke­r:in­nen sehen in dem Gesetz allerdings den Grund für prekäre Arbeitsbedingungen an Hochschulen – inklusive Kettenverträgen, eine große Abhängigkeit vom jeweiligen Lehrstuhlinhaber und eine große Unsicherheit bei der Zukunftsplanung. Auch wegen der Berichte Hunderter Betroffener unter dem Hashtag #IchBinHanna hatte die Ampelregierung eine baldige Reform des WissZeitVG versprochen.

Am Freitag stellte Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nun die Eckpunkte für die Reform vor. Um die Arbeitsbedingungen an Hochschulen zu verbessern, sollen Dok­to­ran­d:in­nen und Post­dok­to­ran­d:in­nen künftig eine Mindestvertragslaufzeit über drei respektive zwei Jahre erhalten. Dies soll auch für Stellen gelten, die aus Drittmitteln bezahlt sind. Zudem soll die Dauer der Befristung insgesamt sinken, von maximal 12 auf 9 Jahre. Konkret sollen Wis­sen­schaft­le­r:in­nen nach der Promotion künftig nur mehr 3 Jahre befristet angestellt sein dürfen.

Besonders dieser letzte Punkt aber stößt auf Kritik. Denn für Forschende hätte er zur Folge, dass sie künftig nach der Promotion drei Jahre weniger Zeit hätten, auf eine der wenigen unbefristeten Stellen an Hochschulen zu kommen. Momentan sind das im akademischen Mittelbau gerade mal 15 Prozent.

Eine „Verschlimmbesserung der bisherigen Lage“ seien die Pläne, heißt es in einem Protestbrief, den mehrere Hundert Pro­fes­so­r:in­nen unterzeichnet haben. In der sogenannten Post-Doc-Phase müssten Nachwuchswis­sen­schaft­le­r:in­nen schließlich beruflich die Weichen für einen Verbleib an der Uni stellen. In nur drei Jahren sei das aber kaum zu machen, zumal in der Zeit viele Forschende auch Väter und Mütter würden.

Warum keine festen Stellen?

Auch das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft warnt vor katastrophalen Folgen, sollte die Höchstbefristungsdauer wie geplant auf 9 Jahre verkürzt werden. Zeitdruck und existenzielle Unsicherheit förderten nur eine „Hyperproduktivität, die gründlicher und somit hochwertiger Forschung und gut vorbereiteter Lehre abträglich sind“, heißt es in einer Stellungnahme des Netzwerks.

Stattdessen fordert es, wie auch die Bildungsgewerkschaft GEW, die Qualifizierungsphase mit der Promotion enden zu lassen. Promovierte Wis­sen­schaft­le­r:in­nen dürften dann gar nicht mehr befristet angestellt sein. Ein Vorschlag, den die Unis für nicht machbar halten.

Ob und wie grundlegend das BMBF den geplanten Referentenentwurf nun umgestaltet, ließ ein Sprecher auf Anfrage offen. Der Entwurf soll aber wie geplant vor der Sommerpause stehen, die Gesetzesänderung spätestens Anfang 2024 in Kraft treten. Der forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek, lobte die Bereitschaft, auf die harsche Kritik „nicht mit Verweigerung, sondern mit Diskussionsangeboten zu reagieren“.

Seine Amtskollegin von der Linksfraktion, Petra Sitte, forderte die Bundesregierung nun zu „ernsthaften Verhandlungen“ auf, um endlich zu verlässlicheren und langfristigen Beschäftigungsverhältnissen an Hochschulen zu kommen.

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