Landtagswahl in Österreich: Schwere SPÖ-Schlappe im Haider-Land

In Kärnten können die Sozialdemokraten trotzdem ihre bisherige Koalition mit der ÖVP fortsetzen, möglich wäre aber auch ein rechtes Dreierbündnis.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Sonntag abend vor Mikrofonen

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Sonntagabend: Die Kritik an ihr dürfte jetzt wieder zunehmen Foto: Barbara Gindl/APA/dpa

WIEN taz | Unerwartet schwere Verluste hat die Landtagswahl im österreichischen Bundesland Kärnten für die Landeshauptmann-Partei SPÖ gebracht. Die Sozialdemokraten stürzten von stolzen 47,9 Prozent auf 38,9 Prozent ab. Das Wahlziel, über 40 Prozent zu bleiben, wurde knapp verfehlt, gleichwohl blieb die SPÖ klar stärkste Kraft.

Doch auf deren Kosten konnten alle anderen relevanten Parteien zulegen: die FPÖ (24,5 Prozent, plus 1,6 Punkte) und die rechtspopulistische Regionalpartei Team Kärnten (10,1 Prozent, plus 4,4) allerdings geringer als erhofft. Am meisten zu feiern hat die konservative ÖVP, die statt der prognostizierten Verluste ein Plus von fast 1,6 Prozentpunkten einfuhr und mit 17 Prozent dritte Kraft blieb.

Den Grünen reichten leichte Zugewinne nicht zum Überspringen der 5-Prozent-Hürde, an der sie schon 2018 nach kurzem Intermezzo als Regierungspartei gescheitert waren.

Der 64-jährige Peter Kaiser regiert seit zehn Jahren in dem Bundesland, das wie kein anderes politische Wechselbäder erlebt hat. In den letzten 30 Jahren haben schon ÖVP, FPÖ, BZÖ und SPÖ regiert.

Bisherige Koalition SPÖ/ÖVP verlief erstaunlich harmonisch

Die Ära der rechtsnationalen Regierungen endete nicht mit dem Unfalltod von Jörg Haider 2008, sondern erst fünf Jahre später, als ein Großteil seiner Epigonen wegen verschiedener Korruptionsdelikte vor Gericht landete. Sie hinterließen mit der Hypo Alpe Adria eine bankrotte Bank, einen Schuldenberg und eine polarisierte Gesellschaft.

Kaiser, der in seiner nüchternen und sachlichen Art ein Kontrastprogramm zu Haiders polterndem Populismus lebt, wird in den nächsten Tagen Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien aufnehmen. Mit jeder von ihnen wäre eine Zweierkoalition möglich.

Vieles spricht dafür, dass Kaiser die Koalition mit der ÖVP fortsetzt. Abseits von Unstimmigkeiten über den Verkauf des Klagenfurter Flughafens ist diese Allianz ziemlich harmonisch verlaufen. Sie entspricht auch dem Wunsch der Wähler der beiden Parteien, wie aus Nachwahlbefragungen herauszulesen ist.

Rechnerisch möglich wäre auch eine rechte Dreierkoalition gegen die SPÖ. Die Spitzenkandidaten wiesen in ersten Reaktionen zwar auf diese Variante hin, verzichteten aber vorerst auf eine Kampfansage an die SPÖ.

Kaiser, der müde und enttäuscht wirkte, sprach von einem „sehr schmerzlichen“ Ergebnis, für das er die volle Verantwortung übernahm. Er ist ein Opfer des Wählertrends, Regierungsparteien abzustrafen. Obwohl er persönlich hohe Zustimmungsraten genießt und bei einer Direktwahl fast jede zweite Stimme bekommen hätte, luden die Wähler ihren Unmut über Teuerungen, hohe Energiepreise und zunehmende Unsicherheit in der Welt an den Verantwortungsträgern ab.

Teilweise korreliert geringer Impfstatus mit FPÖ-Stimmen

Nachhaltiger als erwartet dürfte sich auch die weit verbreitete Kritik an einschränkenden Coronamaßnahmen ausgewirkt haben. Davon profitierte vor allem die FPÖ, wohl auch weil der etwas blasse Spitzenkandidat Erwin Angerer im Wahlkampf Schützenhilfe des wortgewaltigen Parteichefs Herbert Kickl erhielt.

In manchen Gemeinden korreliert der geringe Impfstatus mit dem Stimmenanteil der FPÖ. Bei der ÖVP dürfte der 39-jährige dynamisch wirkende Vize-Landeshauptmann Martin Gruber für den überraschenden Zuwachs verantwortlich sein.

Kaiser ist in der SPÖ ein Schwergewicht und einer der wichtigsten Fürsprecher von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, an deren Stuhl schon lange gesägt wird. Der gelernten Medizinerin ist es weder während der Coronakrise noch angesichts der Teuerungen gelungen, sozialdemokratische Alternativen glaubhaft zu machen.

Beobachter attestieren der SPÖ einen Selbstzerstörungstrieb, mit dem sie sich selbst nach Wahlerfolgen in Personaldiskussionen zerfleischt. Umso mehr nach Niederlagen. Es ist also damit zu rechnen, dass Rendi-Wagners prominentester Widersacher, Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil, in den nächsten Tagen wieder die Säge auspackt.

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