Grüner kandidiert als Frau: Ein Mann im Sinne der Statuten

Kurz vor einer Wahl bei den Grünen erklärte sich ein Kandidat als Frau, um von der Quote zu profitieren. Nun wurden die Regeln genauer bestimmt.

Hände mit Abstimmungszetteln, im Hintergrund eine grüne Wand mit Sonnenblumensymbol

Auch nonbinäre und genderfluide Personen sind laut Urteil keine Frauen im Sinne des grünen Frauenstatuts Foto: dpa

FREIBURG taz | Nur Personen, die sich eindeutig und dauerhaft als Frau definieren, können sich bei den Grünen auf die Quotierungsregeln zugunsten von Frauen berufen. Dies hat das Bundesschiedsgericht der Partei in einem nun veröffentlichten Grundsatzurteil entschieden.

Anlass der Entscheidung war die Vorstandswahl in einem städtischen Kreisverband der Grünen. Bei der Wahl zur Stadtvorsitzenden – also dem Frauenplatz in einer quotierten Doppelspitze – wollte 2021 auch eine Person kandidieren, die erst kurz zuvor in der grünen Mitgliederkartei ihr Geschlecht ändern ließ: „Ab heute bin ich weiblich, könnt Ihr das bitte in Euren Akten anpassen?“, stand in ihrer E-Mail.

Doch das Präsidium des Stadtparteitags lehnte die Kandidatur der Person ab, die weiter einen männlichen Vornamen trug und sich als Mann ansprechen ließ.

Dagegen klagte die Person und hatte beim zuständigen Landesschiedsgericht der Grünen Erfolg. Es wurde eine Wiederholung der Vorstandswahl angeordnet, bei der die Person auf einem Frauenplatz kandidieren dürfe. Zur Begründung wurde auf das Bundesfrauenstatut der Grünen verwiesen: „Von dem Begriff ‚Frauen‘ werden alle erfasst, die sich selbst so definieren“, heißt es dort.

Verbitterter Protest gegen Frauenrechte

Eine Überprüfung der Selbstdefinition sei nicht vorgesehen. Die Partei habe das Risiko von Missbrauch bewusst in Kauf genommen. Den Mitgliedern könne zugetraut werden, Personen einfach nicht zu wählen, die sich ungerechtfertigte Vorteile verschaffen wollen.

Dagegen rief der betroffene Kreisverband das Bundesschiedsgericht an. Die klagende Person sei ein verbitterter und frustrierter Mann, der so gegen Frauenrechte protestiere. Die Person trete in allen sozialen Sphären außerhalb der Partei als Mann auf.

Das Bundesschiedsgericht gab dem Einspruch statt. Die Person könne nicht für einen Frauenplatz im Stadtvorstand kandidieren, „weil sie keine ‚Frau‘ im Sinne der Parteistatuten ist“, heißt es in der 24-seitigen Entscheidung, die der taz vorliegt.

Zwar komme es nicht auf das biologische Geschlecht an, so dass auch eine trans Frau, die sich dauerhaft als Frau versteht, von der parteiinternen grünen Quotierung profitieren könne. Es müsse aber verhindert werden, so die Partei-Richter:innen, dass sich Männer vor einer Kandidatur einfach zur Frau erklären, „ohne dass es irgendwelche Grenzen hierfür“ gebe.

Nonbinäre Personen keine Frauen im Sinne des Statuts

Diese Grenzen hat nun das Bundesschiedsgericht definiert. Die Selbstdefinition als Frau müsse „eindeutig, nicht selektiv und nicht nur vorübergehend“ sein. Es genüge nicht, dass jemand nur in bestimmten Zusammenhängen oder zu bestimmten Zeiten Frau, ansonsten jedoch Mann sein will. Erforderlich sei vielmehr eine „unteilbar weibliche Geschlechtsidentität“ – die im konkreten Fall jedoch fehle.

Auch nonbinäre und genderfluide Personen sind laut Urteil keine Frauen im Sinne des grünen Frauenstatuts, weil sie sich nicht klar und dauerhaft dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Auch sie können deshalb nur auf „offenen“ Plätzen kandidieren, die nicht für Frauen reserviert sind.

Für die Zukunft regt das Bundesschiedsgericht an, sich am Geschlechtseintrag im Personalausweis zu orientieren – insbesondere wenn dieser, wie von der Ampelkoalition im sogenannten Selbstbestimmungsgesetz geplant, ohne ärztliche oder psychologische Gutachten geändert werden kann.

„Dadurch könnten Missverständnisse in Wahlversammlungen, etwa wenn eine äußerlich männlich wirkende Trans-Frau auf einem Frauenplatz kandidiert, leicht und ohne problematische Erläuterungen und Diskussionen auf rein formaler Ebene, durch Vorlage des Personalausweises*, geklärt werden“, heißt es in der Entscheidung. Das ist bisher aber nur ein Vorschlag, zuvor müssten die Satzung und das Frauenstatut der Grünen geändert werden.

Die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts wurde vor wenigen Tagen vom Institut für deutsches und internationales Parteienrecht der Uni Düsseldorf veröffentlicht, stammt aber bereits aus dem Dezember 2022. Der Urteilstext ist so stark anonymisiert, dass nicht einmal benannt wird, in welcher Stadt und in welchem Bundesland sich der konkrete Vorfall ereignete.

* In den Kommentaren haben mehrere Le­se­r:in­nen zurecht darauf hingewiesen, dass auf den gängigen deutschen Personalausweisen kein Geschlechtseintrag zu finden ist. Wir lassen die Passage dennoch unverändert, weil es sich ja um ein Zitat des Bundesschiedsgerichts der Grünen handelt.

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