Rentenreform in Frankreich: Ohne Stimmen von rechts geht nichts

Frankreichs Regierung hofft auf die Unterstützung der Konservativen für die Rentenreform. Die Gewerkschaften wollen mehr Streikaktionen organisieren.

Präsident Emmanuel Macron

Wie lange wird er wohl arbeiten? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, 45 Jahre alt Foto: Stephane Mahe/rtr

PARIS taz | In Frankreich hat der Senat die Debatte über eine sehr umstrittene Rentenreform begonnen, die das offizielle Rentenalter auf 64 Jahre erhöhen und die für eine Vollrente erforderliche Zahl von Beitragsjahren schneller als bisher vorgesehen von 42 auf 43 Jahre anheben soll. Nachdem in der Nationalversammlung chaotische Diskussionen ohne Votum beendet wurden, rechnen Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung nun bei dieser zweiten Parlamentsrunde für ihre Vorlage mit der Zustimmung der rechten Ratsmehrheit.

Um dies sicherzustellen, wurden noch vor dem Beginn der Senatsdebatte am Donnerstag die Änderungswünsche der Partei Les Républicains, die über rund 40 Prozent der Sitze verfügt, erfüllt. Die konservative Rechte ist seit Langem für ein höheres Rentenalter und fordert eine Vereinheitlichung des Systems mit der raschen Abschaffung der noch existierenden Sonderkassen gewisser Berufskategorien. Zugleich möchten die Konservativen unter dem Druck der Öffentlichkeit aber gewisse soziale Ungleichheiten vermeiden.

Nicht nur von den Gewerkschaften und der politischen Linken, sondern auch aus rechten Kreisen wurde bemängelt, dass die geplanten Maßnahmen zur Finanzierung der öffentlichen Altersrente ungleich härter die Frauen treffen würde, die ohnehin meist weniger Rente beziehen, weil sie häufiger in Teilzeit tätig waren oder in ihrer beruflichen Karriere mehr Beitragslücken aufweisen als die Männer. Eine zusätzliche Diskriminierung sei jedoch im Interesse der traditionellen Politik der Geburtenförderung nicht wünschenswert.

In der für den Senat überarbeiteten Version der Reform wird jetzt versprochen, den Müttern würden auch in Zukunft zusätzliche Quartale angerechnet. Wenn sie vorübergehend die Arbeit für die Kinderbetreuung aufgegeben hatten, müssten sie sonst noch länger erwerbstätig bleiben, um Anspruch auf eine Vollrente zu erhalten.

Verzicht auf Kernpunkte komme nicht infrage

Außerdem soll die Reform die Unternehmen verpflichten, einen höheren Anteil von „Senioren“ zu beschäftigen. Heute ist es nach 55 Jahren sehr schwer, eine Stelle zu finden. Von den 55- bis 64-Jährigen sind in Frankreich 56 Prozent noch erwerbstätig, in der Gruppe der 60- bis 64-Jährigen sinkt der Anteil auf 35 Prozent. Ihnen zu sagen, sie müssten noch etwas länger als bisher arbeiten, war für viele ein heuchlerischer Affront. Darum soll es mit der Reform attraktiver für Arbeitgeber werden, Menschen über 60 einzustellen.

Die letzten Korrekturen vor dem Examen im Senat sind auch für die öffentliche Meinung gedacht. Sowohl Premierministerin Elisabeth Borne als auch ihr Arbeitsminister Olivier Dussopt haben aber betont, dass ein Verzicht auf die Kernpunkte überhaupt nicht infrage käme. Für den 7. März haben die Gewerkschaften einen neuen Generalstreik mit landesweiten Demonstrationen angekündigt. Bei der Bahn und in anderen öffentlichen Diensten sind dieses Mal unbefristete Streiks und Blockaden geplant.

Für Macron, der seit seiner Wiederwahl in den beiden Kammern keine eigene Mehrheit mehr hat, geht es in dieser Kontroverse nicht nur um die Rentenreform, sondern auch um die Perspektive einer informellen Koalition mit den Mitte-Rechts-Parteien. Nach ihrer Unterstützung der Rentenreform, so hofft er, sollen sie auch weitere Reformen, beispielsweise das neue Migrationsgesetz oder eine von ihm seit 2017 versprochene verfassungsrechtliche Revision der Institutionen, mittragen und so de facto von der Opposition ins Regierungslager überwechseln.

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