Klima und Allergien: Energieschub für die Pollen

Die Klimakrise verstärkt das Risiko an Heuschnupfen und Asthma zu erkranken. Woran liegt das und was können wir dagegen tun?

Blüte der Haselnuss

Die Haselnuss blüht oft schon im Dezember Foto: Sven Hoppe/dpa

Viele Menschen fürchten sie, die Pollenflugzeit. In Deutschland leiden fast 15 Prozent der Erwachsenen an Heuschnupfen, bei allergischem Asthma sind es rund 9 Prozent. Bereits Kinder und Jugendliche haben mit den Allergien zu kämpfen. Die Frühlingsluft genussvoll in die Lungen zu atmen, kann mit tränenden Augen und Atembeschwerden enden.

Was jetzt schon ein Problem ist, wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch verstärken, sagen Fachleute. Die Pollen werden wohl immer früher und länger fliegen. Schuld daran ist der Klimawandel, der die Grundbedingungen für die Pflanzen verändert – und damit auch ihr Verhalten. Höhere Temperaturen, gemeinsam mit dem natürlichen Düngemittel Kohlenstoffdioxid, sorgen für ausgedehnteres Wachstum und intensivere Blütezeiten. Und so beginnen Frühblüher wie Hasel oder Erle nun schon oft im Winter, die ersten Pollen loszuschicken.

Dazu kommt: Luftverschmutzung und Trockenheit stressen die Pflanzen. Diese reagieren darauf mit Strategien, die ihr Überleben sichern sollen. Sie sorgen dafür, dass die Pollen, also ihre Nachkommen, widerstandsfähiger werden, und verstärken dabei auch ihre Wirkung als Allergie-Auslöser. Das lässt sich in wissenschaftlichen Studien im Labor zeigen. Die Allergologin Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Universität Augsburg, züchtete mit weiteren Forschenden beispielsweise beifußblättrige Ambrosien.

Einige Pflanzen wuchsen mit einer normalen Menge CO2 in der Luft, bei anderen war die CO2-Konzentration erhöht. Alle anderen Umweltbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Licht waren für die Pflanzen identisch. Danach analysierte das Forschungsteam die Pollen und fand in den CO2-verstärkten Proben mehr Stoffe, die Entzündungsreaktionen hervorrufen. Spezielle Mäuse, die ohnehin schnell allergisch reagieren, bekamen durch die CO2-Pollen stärkere Entzündungen in der Lunge als bei den normalen Proben, und menschliche Zellen produzierten besonders viele entzündungsfördernde Stoffe.

Zusätzliche Allergene

Dass auch Luftverschmutzung durch Stoffe wie etwa Stickoxide die Atemwege angreift, ist bekannt. Gelangen sie in den Körper, fördern sie dort Entzündungen. Weniger sicher ist, welche Partikel möglicherweise allergische Reaktionen verstärken können, sagt Jeroen Buters, stellvertretender Direktor des Zaum-Zentrums für Allergie und Umwelt und Professor an der Technischen Universität München: „Der Schwellenwert für Luftschadstoffe für eine Allergie ist nicht bekannt.“

Noch eine weitere Eigenschaft von Pflanzen verändert sich durch den Klimawandel: Sie kommen zunehmend an Orten vor, an denen wir sie bisher nicht oder kaum angetroffen haben. Und auch das kann zum Problem für Menschen mit Asthma oder Heuschnupfen werden. Einerseits, weil es zusätzliche Allergene sind, die unser Immunsystem noch nicht kennt. Andererseits, weil manche der Neuankömmlinge besonders schnell Allergien hervorrufen.

Die bereits erwähnte beifußblättrige Ambrosie, auch Ragweed genannt, ist so ein Kandidat. Nur wenige Pollen pro Quadratmeter reichen aus, um bei sensitiven Menschen einen Asthma-Anfall auszulösen. Daher auch der Spitzname „Asthma-Pflanze“. In manchen europäischen Ländern wie Ungarn und der Ukraine ist sie schon verbreitet, und auch über Österreich kommt sie Deutschland näher.

Claudia Traidl-Hoffmann, Allergologin

„Wir brauchen ein Training des Immunsystems, dabei helfen uns Bakterien“

Noch findet sich das Ragweed hierzulande eher selten, doch Studien gehen davon aus, dass es sich in absehbarer Zeit in der Bundesrepublik ausbreiten wird. Ebenso wie die als Götterbaum bekannte Ailanthus altissima. Der Götterbaum stammt ursprünglich aus Asien und wurde vor einigen Jahrzehnten vereinzelt als Zierpflanze in Deutschland angesiedelt. Seitdem verbreitet er sich zusehends, vor allem in größeren Städten. In Berlin befinden sich bereits messbare Pollenmengen in der Luft.

Die invasiven Arten lassen sich nicht aufhalten, ebenso wenig wie die Blütezeiten verkürzt oder die Aggressivität der Pollen verringert werden kann. Dennoch sind wir der Entwicklung nicht hilflos ausgesetzt. Wichtig ist es, Allergien so früh wie möglich vorzubeugen, sagt Claudia Traidl-Hoffmann, und zwar mithilfe einer hohen Mikrobiodiversität: „Wir brauchen ein Training des Immunsystems, und dabei helfen uns ganz viele unterschiedliche Bakterien.“

Waldboden gut für das Immunsystem

Das heiße nicht, dass die Kinder alle möglichen Erkrankungen bekommen müssten. Vielmehr gehe es um die Spielumgebung, die reich an Kleinstlebewesen sein sollte. „Wenn die Spielplätze in Kindergärten beispielsweise mit artenreichem Waldboden bedeckt sind, ist das für das Immunsystem der Kinder besser als gewöhnlicher Sand.“

Gerade da liegt allerdings ein weiteres Problem, denn wir stecken nicht nur in einer Klima-, sondern auch einer Biodiversitätskrise. Das heißt, wir verlieren genau den Artenreichtum, der unsere Gesundheit schützt.

Wer bereits eine oder mehrere Allergien entwickelt hat, kann versuchen, möglichst wenige Pollen abzubekommen. Konkret funktioniert das zumindest teilweise durch clevere Urlaubsplanung oder indem Betroffene den Sport im Freien meiden. Allerdings machen wir es den Menschen häufig unnötig schwer, sich von Allergie-Auslösern fernzuhalten. So gibt es in städtischen Wohngebieten und öffentlichen Räumen wie dem Potsdamer Platz in Berlin gerne Birken-Alleen. Dabei sind Birken die am stärksten allergenen Bäume in kühlen und gemäßigten Klimazonen, sagt Stefanie Gilles, Leiterin des Fachbereichs „Umwelt-Immunologie“ an der Universität Augsburg: „Ihre Pollen sind Auslöser von allergischem Schnupfen und Asthma bei 10 bis 30 Prozent der Bevölkerung.“

Die Innenstädte zu begrünen, ist zwar aus Klimasicht eine gute Idee, aber wir sollten dabei die Allergien mitdenken. Claudia Traidl-Hoffmann schlägt vor, bei der Städteplanung Fachleute aus verschiedenen Disziplinen einzubeziehen. „Neben Stadtplanern, Architekten und Mobilitätsexperten müssen beispielsweise auch Gesundheitsexperten mitreden.“ Schließlich gibt es Gewächse mit geringem Allergierisiko, wie etwa die Blasenesche, der japanische Schnurbaum und der Ginkgobaum.

Gänzlich vermeiden können Betroffene die Pollen schwer, doch Hilfsmittel können die Tagesplanung unterstützen. Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst zeigt auf seiner Webseite aktuelle Entwicklungen im Pollenflug. Am Tag vor Weihnachten 2022 warnte dort der Pollenanalyst Matthias Werchan bereits vor den ersten Hasel- und Purpurerlenpollen der neuen Pollensaison.

Außerdem kann man auf der Seite nach Bundesland geordnet die Pollenbelastung verschiedener Pflanzen tagesaktuell abfragen und sich entsprechend darauf vorbereiten. Wer mehr als nur leichte Allergiesymptome hat, sollte mit seiner Ärztin oder seinem Arzt über den Umgang damit sprechen, von der Heilung bis zur symptomatischen Behandlung.

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